Zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr wäre die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderlich gewesen. Zwar hat die Antraggegnerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, diese bezog sich jedoch lediglich auf eine (Mit-)Täterschaft der Antragsgegnerin. Die Störerhaftung stellt demgegenüber ein Aliud dar, welche von der abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht erfasst war. Auch nach erneuter Aufforderung der Antragsstellerin gab die Antragsgegnerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht ab.

LG Hamburg Beschluss vom 11. Januar 2013 zu 308 O 442/12

1. Im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird der Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro; Ordnungshaft höchstens zwei Jahre)

verboten,

es Dritten zu ermöglichen, die auf dem Musikalbum “…” enthaltene Tonaufnahme … der Künstlergruppe … als Datensätze auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von € 6.000,00 zu tragen.
Gründe

I. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gegeben. Gegenstand des Verfahrens ist das widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen durch ein Filesharingsystem im Internet. Das ist eine unerlaubte Handlung, bei der neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch der besondere Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO eröffnet ist, wobei der Antragstellerin zwischen beiden Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht zusteht. Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Das ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Delikts verwirklicht worden ist, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort. Als (potentieller) Erfolgsort einer Urheberrechtsverletzung ist jeder Ort anzusehen, zu dem die angegriffenen Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug aufweisen. Dafür ist nicht, wie bei marktbezogenen Delikten wie Wettbewerbsverletzungen, auf die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit abzustellen. Vielmehr kommt es lediglich darauf an, dass an dem jeweiligen Ort eine Kenntnisnahme nach den Umständen des konkreten Falls erheblich näher liegt als dies aufgrund der bloß theoretischen Möglichkeit des Abrufs der Fall wäre (vgl. dazu: BGH, GRUR 2010, 461 (Tz 16 ff.) – “The New York Times”). Eine besondere Beziehung des Rechtsstreits zum Gerichtsstandort Hamburg in diesem Sinne ist vorliegend gegeben: Musikaufnahmen in Filesharing-Systemen können und sollen gerade ohne jede lokale Beschränkung von beliebigen anderen Teilnehmer des jeweiligen Systems abgerufen werden können.

II. Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Unterlassung des im Beschlusstenor genannten Handelns gemäß § 97 Abs. 1 UrhG iVm. § 85 Abs. 1 S. 1 UrhG glaubhaft gemacht.

1. Die Antragsstellerin ist aktivlegitimiert. Sie hat (durch Vorlage einer Kopie des Back-Covers der CD mit einem entsprechenden “p”- und “c”-Vermerk, Anlage ASt. 8) glaubhaft gemacht, dass sie die ausschließlichen Nutzungsrechte des Tonträgerherstellers gemäß § 85 UrhG an der streitgegenständlichen Musikaufnahme innehat.

2. Es ist weiter (durch eidesstattliche Versicherung des Ermittlers … der p… GmbH vom 28.12.2012, Anlage Ast. 1) glaubhaft gemacht worden, dass am 27.4.2012 zwischen 18:40:38 Uhr und 19:33:51 Uhr unter der IP-Adresse … eine Datei mit der streitgegenständlichen Musikaufnahme mittels der Filesharing-Software “µTorrent 3.0″ im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist und heruntergeladen werden konnte.

3. Da diese Nutzung des öffentlichen Zugänglichmachens gemäß § 85 Abs. 1 S. 1 UrhG ausschließlich der Antragstellerin vorbehalten und ohne deren Einverständnis erfolgt ist, war sie widerrechtlich.

4. Die Antragsgegnerin hat für diese Rechtsverletzung als Störerin einzustehen. Als Störer kann grundsätzlich haften, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern er die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Verletzung gehabt hätte. Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die den jeweiligen Eingriff nicht selbst vorgenommen haben, haftet der Störer jedoch nur im Falle der Verletzung sogenannter Prüfpflichten (dazu: BGH, U. v. 30.6.2009, Az.: VI ZR 210/08, Absatz-Nr. 18, www.bundesgerichtshof.de). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Die Antragsgegnerin haftet nicht als Täter oder Teilnehmer.

Zwar war sie – wie anwaltlich versichert worden ist – nach der von der Antragstellerin eingeholten Auskunft der Deutschen Telekom AG vom 29.11.2012, die aufgrund des Gestattungsbeschlusses des LG Köln vom 10.07.2012 zum Az.: 233 O …/12 erfolgte (Anlagenkonvolut Ast. 2), Inhaberin des Internetanschlusses, dem die o.g. IP-Adresse im o.g. Zeitraum zugeordnet war. Die Antragsgegnerin hat aber die hierdurch ausgelöste tatsächliche Vermutung, dass sie für die eingetretene Verletzung als Täter verantwortlich ist (zu einem insoweit vergleichbaren Fall: BGH, U. v. 12.5.2010, Az.: I ZR 121/08, Juris. Rn. 12, – “Sommer unseres Lebens”), wirksam erschüttert. Der Ehemann der Antragsgegnerin hat – wie anwaltlich versichert worden ist – am 07.12.2012 bei einem der Prozessbevollmächtigten der Antragsstellerin angerufen und mitgeteilt, weder er noch seine Frau hätten die Rechtsverletzung vorgenommen. Jedoch sei eine WLAN-Verbindung vorhanden. Dies ergibt sich auch aus dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 12.12.2012 (Anlage Ast 5). Aus all dem folgt die ernsthafte Möglichkeit, dass ein Dritter, unter Nutzung des Anschlusses der Antragsgegnerin die angegriffene Verletzung begangen hat (vgl. zu entsprechenden Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers: OLG Köln, B. v. 24.3.2011, Az.: 6 W 42/11, Juris. Absatz-Nr. 9).

Die Antragsgegnerin haftet auch nicht als Teilnehmer. Voraussetzung dafür wäre neben einer objektiven Gehilfenhandlung (Anstiftung oder Beihilfe) ein zumindest bedingter Vorsatz in Bezug auf die Haupttat, einschließlich des Bewusstseins ihrer Rechtswidrigkeit (vgl. dazu: BGH, U. v. 22.7.2010, I ZR 139/08, www.bundesgerichtshof.de. Absatz-Nr. 30 – “Kinderhochstühle im Internet”). Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin Kenntnis davon hatte oder auch nur hätte haben können, dass der streitgegenständliche Titel über ihren Anschluss durchgeleitet wurde.

b) Indem es die Antragsgegnerin anderen Teilnehmern des Filesharing-Netzwerks ermöglichte, ihren Anschluss zur Weiterleitung des streitgegenständlichen Titels zu benutzen, hat sie für die angegriffene Verletzung indes einen adäquat-kausalen Tatbeitrag geleistet.

c) Sie hat insoweit auch ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, U. v. 12.5.2010, Az.: I ZR 121/08, Rn. 32 ff., www.bundesgerichtshof.de – “Sommer unseres Lebens”) haftet der Betreiber eines WLAN-Netzes für Urheberrechts verletzungen, die von Dritte unter unerlaubter Nutzung dieses Netzes begangen wurden, als Störer, wenn er insoweit keine hinreichenden Schutzvorkehrungen getroffen hat. Konkret trifft den Betreiber eines privaten WLAN-Netzes die Obliegenheit zur Einhaltung des im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungsstandards und zur Vergabe eines persönlichen, ausreichend langen und sicheren Passwortes (BGH, a.a.O.). Gemessen daran ist die Antragsgegnerin eine Prüfpflichtverletzung vorzuwerfen, denn der Ehemann der Antragsgegnerin hat im Rahmen des o.g. Telefonats am 7.12.2012 – wie anwaltlich versichert wurde – weiter angegeben, vor kurzem den Provider gewechselt zu haben und ihm dabei aufgefallen sei, dass der neue Provider gleich für eine Verschlüsselung des WLANs gesorgt habe. Sein altes WLAN sei wohl offen gewesen.

III. Die widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderlich gewesen.

Zwar hat die Antraggegnerin mit Schreiben vom 11.12.2012 (Anlage ASt 6) eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, diese bezog sich jedoch lediglich auf eine (Mit-)Täterschaft der Antragsgegnerin. Die Störerhaftung stellt demgegenüber ein Aliud dar, welche von der abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht erfasst war. Auch nach erneuter Aufforderung der Antragsstellerin mit Schreiben vom 18.12.2012 (Anlage ASt. 6) und vom 03.01.2013 (Anlage ASt 9) gab die Antragsgegnerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht ab.

IV. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Antragstellerin hat die Sache geboten zügig behandelt.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert ist nach den §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO geschätzt worden. Die Kammer geht in Filesharing-Fällen bei einer bloßen Störerhaftung regelmäßig von einem Streitwert in Höhe von 6.000,- € für einen angebotenen Musiktitel aus (3/5 des Wertes für eine entsprechende Täterhaftung).

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