Die von einem Unternehmer dem Handelsvertreter (Tankstellenhalter) per Daten-fernübertragung übermittelten Preisdaten betreffend Agenturwaren stellen erforderliche Unterlagen (Preisliste) im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB dar.
Bedient sich der Unternehmer zur Übermittlung solcher Preisdaten eines bestimmten, hierfür eingerichteten Systems, das er dem Tankstellenhalter für den Empfang und die Verarbeitung dieser Daten zur Verfügung stellt, so muss er insoweit dieses (Kassen-)System dem Tankstellenhalter kostenfrei überlassen.
Haben die Parteien vertraglich für das Kassensystem eine nicht näher aufgeschlüsselte Vergütung vereinbart, ist der Umfang der Kostenfreiheit durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.

 

BGH URTEIL VII ZR 6/16 vom 17. November 2016

HGB § 86a Abs. 1, Abs. 3

Die von einem Unternehmer dem Handelsvertreter (Tankstellenhalter) per Daten-fernübertragung übermittelten Preisdaten betreffend Agenturwaren stellen erforderli-che Unterlagen (Preisliste) im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB dar.
Bedient sich der Unternehmer zur Übermittlung solcher Preisdaten eines bestimm-ten, hierfür eingerichteten Systems, das er dem Tankstellenhalter für den Empfang und die Verarbeitung dieser Daten zur Verfügung stellt, so muss er insoweit dieses (Kassen-)System dem Tankstellenhalter kostenfrei überlassen.
Haben die Parteien vertraglich für das Kassensystem eine nicht näher aufgeschlüs-selte Vergütung vereinbart, ist der Umfang der Kostenfreiheit durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.

BGH, Urteil vom 17. November 2016 – VII ZR 6/16 – OLG Schleswig

LG Itzehoe
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Dr. Kartzke sowie die Richterinnen Graßnack, Sacher und Borris
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig- Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 3. Dezember 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von als Kassen-pacht gezahlten Beträgen.
Der Kläger übernahm von der Beklagten aufgrund Tankstellen-Agentur-Vertrags vom 15. April/21. April 2004 als selbständiger Kaufmann (Handelsver-treter) den Verkauf, die Auslieferung und die Lagerung von Kraftstoffen und Schmierstoffen an einer Tankstelle in K. im Namen und für Rechnung der Be-klagten. Daneben betreibt er vertragsgemäß im eigenen Namen und auf eigene Rechnung das sogenannte Shopgeschäft.
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Mit vom 30. Dezember 2004 datierendem Nachtrag zu dem genannten Vertrag vereinbarten die Parteien, dass der Kläger ab dem 1. Mai 2004 eine monatliche Kassenpacht in Höhe von 281,21 € zuzüglich Mehrwertsteuer zu entrichten hat.
Bestandteil des aus Hardware- und Softwarekomponenten bestehenden Kassensystems sind unter anderem eine Tankstellenkasse (POS – Point of sale) und ein Büroarbeitsplatz (BOS – back-office-system). Auf den Hardware-komponenten befindet sich eine voraufgespielte Software, die die Erstellung von Tagesabrechnungen, Umsatzsteuererklärungen und betriebswirtschaftli-chen Auswertungen ermöglicht. Über das Kassensystem, auf das die Beklagte per Datenfernübertragung zugreifen kann, wird auch die Abwicklung des Agen-turgeschäfts gesteuert. Die Beklagte übermittelt per Datenfernübertragung die Preise, gibt diese der Kasse vor und stellt die Preise am Preismast und an den Zapfsäulen ein. Nach einem Tankvorgang wird die Zapfsäule erst freigegeben, wenn die Kasse die Bezahlung registriert hat. Die Beklagte kann durch den Zu-griff auf das Kassensystem daraus von ihr benötigte Daten ziehen.
Mit der Klage hat der Kläger den in den 54 Monaten von Januar 2010 bis Juni 2014 als Kassenpacht gezahlten Betrag in Höhe von insgesamt 18.070,56 € nebst näher bezeichneter Zinsen zurückgefordert. Das Landgericht hat der Klage, vom Zinsbeginn abgesehen, vollumfänglich stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert, indem es den ausgeurteilten Hauptsachebe-trag auf 9.035,28 € ermäßigt und die Zinshöhe herabgesetzt hat.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger – über den vom Berufungsgericht ausgeurteilten Betrag hinaus – die Verurtei-lung der Beklagten zur Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 9.035,28 € nebst Zinsen.
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Mit der Anschlussrevision verfolgt die Beklagte die vollständige Abwei-sung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten füh-ren zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZVertriebsR 2016, 178 veröffent-licht ist, führt, soweit für die Revision und die Anschlussrevision von Interesse, im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Kläger könne nur die Hälfte der im verfahrensgegenständlichen Zeit-raum gezahlten Kassenpacht zurückverlangen. Der Rückzahlungsanspruch folge nicht daraus, dass das Kassensystem eine kostenfrei zu überlassende Unterlage im Sinne von § 86a HGB wäre, sondern aus dem handelsvertreter-rechtlichen Grundsatz einer angemessenen Kostenverteilung.
Das Kassensystem stelle ungeachtet seiner betrieblichen bzw. logisti-schen Notwendigkeit nicht bzw. nur sehr teilweise eine Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB dar, da es an dem erforderlichen inhaltlichen Bezug zum Produkt fehle. Der Begriff der Unterlage sei weit zu fassen. Darunter falle alles, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschluss-tätigkeit – insbesondere zur Anpreisung der Waren beim Kunden – diene und
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aus der Sphäre des Unternehmers stamme. Aus den Beispielen, die die Vor-schrift aufführe, lasse sich ableiten, dass es sich jeweils um Unterlagen handeln müsse, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Produkt hätten und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung nicht möglich sei. Es müsse um Dinge gehen, die das zu vertreibende Produkt „unterlegten“, also inhaltlich bezeichne-ten, beschrieben und/oder eingrenzten, mithin um die Bereitstellung bestimmter produktspezifischer Informationen, die für die Einflussnahme auf die Entschei-dung des Kunden von Bedeutung seien.
Hiermit sei das vorliegende Kassensystem nicht mehr sinnvoll vergleich-bar. Es umfasse zwar auch noch die Funktion der Mitteilung einer Produktin-formation, nämlich des jeweiligen Preises der einzelnen Waren. Es gehe indes über die Mitteilung eines produktbezogenen Inhalts vom Unternehmer über den Handelsvertreter an den Kunden so weit hinaus, dass ihm im Durchgang durch die zwischen den Parteien unstreitigen Funktionalitäten insgesamt eine andere Qualität beizumessen sei. Das Kassensystem sei nur in einer einzelnen Funkti-on, nämlich der Preisübermittlung, mit dem Charakter einer Unterlage als Trä-ger spezifischer Produktinformationen behaftet, während es im Übrigen, weit darüber hinausgehend, ein komplexes multifunktionales, von dem konkret ge-handelten Produkt losgelöstes betriebswirtschaftliches Rechnungs- und wech-selseitiges Kommunikationsmedium sei. Danach verbiete sich auch unter dem vom Kläger angeführten Gesichtspunkt eines „einheitlichen Pakets“ eine voll-ständige oder auch nur weitgehende Einordnung als „Unterlage“.
Aus dem Leitbild des Handelsvertretervertrages ergebe sich jedoch der Grundsatz einer fairen Kostenverteilung nach dem jeweiligen Nutzen. Danach könne der Unternehmer dem Handelsvertreter keine Kosten auferlegen, die „eigentlich“ Kosten des Unternehmers seien. In Anbetracht der nicht unerhebli-chen Pacht, die die Beklagte dem Kläger monatlich abverlange, liege es nicht fern, dass dieser Betrag zu nicht geringen Anteilen auch Kosten beinhalte, die
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bei richtiger Zuordnung, sei es, weil es ihr Kommunikationsvorteile einbringe, sei es, weil es ihr Kosten erspare, der Beklagten zuzuordnen seien. Im Abgleich mit den für den Kläger bestehenden Vorteilen einer EDV, die auch ihm die Kommunikation erleichtere, die Buchhaltung und steuerliche Erklärungen ab-nehme und daneben – hinsichtlich der Shop-Geschäfte – auch allein seinen Be-langen diene, halte das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO eine hälftige Kos-tenverteilung für angemessen.
II. Anschlussrevision der Beklagten
Die Anschlussrevision der Beklagten führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der gel-tend gemachte bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB nebst Zinsen nicht in dem vom Berufungsgericht aus-geurteilten Umfang zuerkannt werden. Der rechtlichen Nachprüfung hält es nicht stand, dass das Berufungsgericht unter Heranziehung des Leitbilds des Handelsvertretervertrags und des Gedankens von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer hälftigen Kostenverteilung gelangt ist. Diese Begründung ist nicht tragfähig, weil sie die von den Parteien geschlossene Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 unzulässigerweise mit abstrakten Erwägungen – losgelöst von den konkreten gesetzlichen Regelungen in § 86a, § 87d HGB – für teilweise unwirksam und teilweise wirksam erachtet.
2. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderem Grund als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststel-
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lungen kann nicht beurteilt werden, ob und in welchem Umfang die Vergütungs-vereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 wirksam ist.
a) Unter Benutzung des Kassensystems sind dem Kläger im Rückforde-rungszeitraum zur Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter erforderliche Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden.
aa) Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeich-nungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen. Die Aufzählung in § 86a Abs. 1 HGB ist nur beispielhaft und nicht abschließend (BGH, Urteile vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 Rn. 20 und VIII ZR 10/10, juris Rn. 20, jeweils m.w.N.). Von dem weit zu ver-stehenden Begriff der Unterlage wird alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit – insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden – dient und aus der Sphäre des Unter-nehmers stammt (BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, aaO m.w.N.). Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter nach § 86a Abs. 1 HGB solche Un-terlagen zur Verfügung zu stellen, auf die der Handelsvertreter zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrags bilden-den Verträge angewiesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, aaO Rn. 24). Als derartige Unterlage kann auch (Vertriebs-)Software einzustu-fen sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, aaO Rn. 30). Bei der Verpflichtung zur Zurverfügungstellung der erforderlichen Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB handelt es sich um eine Bringschuld des Unternehmers (Teichmann in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 86a HGB Rn. 13).
Erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB sind dem Han-delsvertreter nach allgemeiner Meinung kostenfrei zur Verfügung zu stellen (BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 Rn. 19 m.w.N.;
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Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 5. Aufl., Kap. IV Rn. 11; Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 86a Rn. 109; Teich-mann in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 86a HGB Rn. 12). Insbesondere hat der Handelsvertreter keine Kosten für die Übersendung zu tragen (vgl. Teichmann in Flohr/Wauschkuhn, aaO Rn. 13). Hingegen trägt der Handelsver-treter nach § 87d HGB – soweit nicht ein Aufwendungsersatz durch den Unter-nehmer handelsüblich ist – die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb ent-stehenden Aufwendungen grundsätzlich selbst; hierzu gehören die eigene Bü-roausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Reprä-sentation gegenüber den Kunden (BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, aaO Rn. 25 m.w.N.).
Ist der Handelsvertreter auf bestimmte, aus der Sphäre des Unterneh-mers stammende Informationen zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrags bildenden Verträge und auf diesbe-zügliche Unterlagen angewiesen, so kann der Unternehmer der sich aus § 86a Abs. 1 HGB ergebenden Verpflichtung zur Zurverfügungstellung der insoweit erforderlichen Unterlagen grundsätzlich auf unterschiedliche Weise nachkom-men. Hat der Unternehmer in dem Zeitraum, für den der Handelsvertreter Rück-forderung verlangt, die genannten Informationen mittels bestimmter Unterlagen übermittelt, so steht der Erforderlichkeit dieser Unterlagen nicht entgegen, dass die Informationsübermittlung in diesem Zeitraum möglicherweise auch auf an-dere Weise mittels anderer Unterlagen hätte erfolgen können.
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte dem Klä-ger im Rückforderungszeitraum zur Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter erforderliche Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB zur Verfügung gestellt.
Bei den von der Beklagten unter Benutzung des Kassensystems per Da-tenfernübertragung übermittelten Preisdaten betreffend die Agenturwaren, ins-besondere die Kraftstoffe, handelt es sich um zur Ausübung der Tätigkeit des
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Klägers als Handelsvertreter erforderliche Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB.
Der Kläger ist als Handelsvertreter für die Vermittlung und den Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertreterverhältnisses bildenden Kaufverträge betreffend Agenturwaren, insbesondere Kraftstoffkaufverträge, auf eine Über-mittlung der Preise seitens der Beklagten und auf diesbezügliche Unterlagen angewiesen. Ohne die (zeitnahe) Übermittlung der jeweils aktuellen Preise und ohne diesbezügliche Unterlagen kann der Kläger seine Vermittlungs- und Ab-schlusstätigkeit bezüglich des Verkaufs von Agenturwaren, insbesondere Kraft-stoffen, nicht vertragsgemäß ausüben. Die Preise sind für den Abschluss der Verträge unerlässlich. Beim Verkauf von Kraftstoff ist die Werbung mittels Preisangaben zudem ein zentrales Element der Kundenwerbung (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2016, 1134 Rn. 32).
Die Übermittlung der Preise der Agenturwaren, insbesondere der Kraft-stoffpreise, unter Benutzung des hierfür eingerichteten Kassensystems per Da-tenfernübertragung, wie sie im Rückforderungszeitraum erfolgt ist, stellt ein hin-reichendes Äquivalent zu der in § 86a Abs. 1 HGB beispielhaft aufgeführten – für den Handelsvertreter kostenfreien – Zurverfügungstellung von herkömmlich auf Papier erstellten Preislisten dar. Insoweit geht es bei dem Kassensystem nicht nur um eine dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb zuzurechnende, vom Kläger grundsätzlich selbst zu finanzierende Büroausstattung. Dass das Kas-sensystem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Übrigen Funktio-nen erfüllt, die dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb des Tankstellenhalters zu-zurechnen sind, hindert die Einstufung der unter Benutzung des Kassensys-tems übermittelten Preisdaten als erforderliche Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB nicht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 Rn. 30, zu einem Softwarepaket, bei dem einzelne Komponenten für die Tätigkeit des Handelsvertreters unverzichtbar waren, während andere Kompo-
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nenten der vom Handelsvertreter grundsätzlich selbst zu finanzierenden allge-meinen Büroorganisation zugerechnet werden konnten).
Der vorstehenden Beurteilung des Kassensystems steht entgegen der von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten Auffas-sung auch nicht entgegen, dass es die Beklagte ist, die unter Benutzung des Kassensystems per Datenfernübertragung die Preise für die Kraftstoffe der Kasse vorgibt und am Preismast und an den Zapfsäulen einstellt. Dies ändert nichts daran, dass der Kläger zur Vermittlung und zum Abschluss der den Ge-genstand des Handelsvertreterverhältnisses bildenden Kaufverträge betreffend Agenturwaren, insbesondere Kraftstoffkaufverträge, auf die von der Beklagten vorgegebenen Preise und auf diesbezügliche Unterlagen angewiesen ist. Denn die genannten Verträge werden an der vom Kläger betriebenen Tankstelle ge-schlossen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 171/10, NJW 2011, 2871 Rn. 13, zum Abschluss von Kraftstoffkaufverträgen an Selbstbedienungstank-stellen); die Preise sind als essentialia negotii für die Vertragsabschlüsse uner-lässlich.
b) Die Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 ist nach § 86a Abs. 3 HGB unwirksam, soweit mit der vereinbarten Kas-senpacht die vorstehend erörterte Teilfunktion des Kassensystems betreffend die Übermittlung der Preise der Agenturwaren abgegolten wird.
aa) Erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB sind dem Handelsvertreter, wie bereits erörtert, kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Eine gegenteilige Vergütungsvereinbarung, mit der eine Vergütung für die Zurverfü-gungstellung derartiger Unterlagen vereinbart wird, ist gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam, wobei die vertragliche Verpflichtung zur Zurverfügungstellung dieser Unterlagen wirksam bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 Rn. 30).
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bb) Bedient sich der Unternehmer zur Übermittlung solcher Preisdaten eines bestimmten hierfür eingerichteten Systems, das er dem Handelsvertreter für den Empfang und die Verarbeitung dieser Daten zur Verfügung stellt, so ist dieses System insoweit Teil der vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB. Soweit das System (hier: Kassen-system) für den Empfang und die Verarbeitung der Preisdaten erforderlich ist, ist es daher nach § 86a Abs. 1 HGB dem Handelsvertreter vom Unternehmer kostenfrei zur Verfügung zu stellen. So liegt der Fall hier.
c) Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob und in welchem Umfang die Vergütungsvereinbarung ge-mäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 wirksam ist.
Die Unwirksamkeit gemäß § 86a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 HGB bezieht sich zunächst nur auf denjenigen Teil der Gesamtvergütung (Kassenpacht), mit dem die vorstehend erörterte Teilfunktion des Kassensystems betreffend die Über-mittlung der Preise der Agenturwaren abgegolten wird, nicht hingegen auf den-jenigen Teil der Gesamtvergütung, mit dem andere Funktionen des Kassensys-tems (z.B. Erstellung von Tagesabrechnungen, Umsatzsteuererklärungen, be-triebswirtschaftliche Auswertungen etc.) abgegolten werden. Die Vergütungs-vereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 ist unbeschadet des Fehlens einer Aufschlüsselung der Gesamtvergütung in dieser Vereinbarung grundsätzlich in dem Sinne teilbar, dass eine Teilvergütung als selbständige Regelung Bestand haben kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1986 – III ZR 114/84, NJW 1986, 2576, 2577, juris Rn. 27 ff.).
Die Teilunwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung, mit der eine nicht aufgeschlüsselte Gesamtvergütung vereinbart wird, kann die Gesamtunwirk-samkeit der Vergütungsvereinbarung nach sich ziehen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 Rn. 30). Aus einer ergänzenden Vertragsauslegung kann sich indes Abweichendes ergeben (vgl. BGH, Urteil
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vom 13. März 1986 – III ZR 114/84, NJW 1986, 2576, 2577, juris Rn. 30 ff.). Im vorliegenden Zusammenhang kann dahinstehen, ob es sich bei der Vergü-tungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 um eine Individu-alvereinbarung oder um eine von der Beklagten gestellte – wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht (§ 86a Abs. 3 HGB) kontrollfähige – Allgemeine Ge-schäftsbedingung handelt. Denn eine ergänzende Vertragsauslegung kommt grundsätzlich sowohl im Rahmen des § 139 BGB bei Teilunwirksamkeit einer Vereinbarung, mit der eine nicht aufgeschlüsselte Gesamtvergütung vereinbart wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1986 – III ZR 114/84, aaO), als auch bei Unwirksamkeit einer entsprechenden Preisabrede in Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 59/14, BGHZ 205, 43 Rn. 25 ff.; Urteil vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, ZIP 2016, 1975 Rn. 19 ff., jeweils zu Preisanpassungsklauseln; Urteil vom 10. Juni 2008 – XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 18, zu einer Zinsänderungsklausel) in Betracht.
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kann nicht beurteilt wer-den, ob und in welchem Umfang die Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 wirksam ist. Denn dem Senat ist eine – bisher unter-bliebene – ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des mutmaß-lichen Parteiwillens mangels hinreichender Feststellungen nicht möglich.
3. Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. In diesem Umfang ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat kann mangels hinreichender Fest-stellungen in der Sache nicht selbst entscheiden (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO), wes-halb die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
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III. Revision des Klägers
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, so-weit zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist, und im Umfang der Auf-hebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der über den ausgeurteilten Betrag hinausgehende Rückforderungsanspruch nicht abge-lehnt werden. Der rechtlichen Nachprüfung hält es, wie oben unter II. 1. erörtert, nicht stand, dass das Berufungsgericht unter Heranziehung des Leitbilds des Handelsvertretervertrags und des Gedankens von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer hälftigen Kostenverteilung gelangt ist.
2. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderem Grund als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststel-lungen kann aus den oben unter II. 2. genannten Gründen nicht angenommen werden, dass die Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 insgesamt oder überwiegend unwirksam ist.
3. Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben, soweit zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist. In diesem Umfang ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat kann mangels hinreichender Fest-stellungen in der Sache nicht selbst entscheiden (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO), wes-halb die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
IV.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht wird sich im Hinblick auf den vorstehend erörter-ten Verstoß gegen § 86a Abs. 1 HGB – gegebenenfalls nach ergänzendem Vor-
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trag der Parteien – mit einer ergänzenden Vertragsauslegung der Vergütungs-vereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Parteiwillens zu befassen haben. Maßgebend ist, welche (Vergütungs-)Regelung die Parteien in Kenntnis des genannten Verstoßes nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und bei angemessener Abwägung der beider-seitigen Interessen als redliche Vertragspartner vereinbart hätten (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1986 – III ZR 114/84, NJW 1986, 2576, 2577, juris Rn. 30; Urteil vom 10. Juni 2008 – XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 18).
Dabei kann relevant sein, inwieweit die Komponenten des Kassensys-tems – abgesehen von der § 86a Abs. 1 HGB betreffenden Teilfunktion – nur oder auch Funktionen erfüllen, die dem vom Kläger als Tankstellenhalter grundsätzlich selbst zu finanzierenden regelmäßigen Geschäftsbetrieb (Agen-turgeschäft und Eigengeschäft) zuzurechnen sind und welches Gewicht dieser Anteil hat.
Allerdings führt die Funktion, derzufolge die Zapfsäulen nach einem Tankvorgang für weitere Tankvorgänge erst freigegeben werden, wenn die Kasse die Bezahlung registriert hat, entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Einstufung als erforderliche Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB. Die Blockade der Zapfsäulen, aus der sich die Notwendigkeit der (Wieder-)Freigabe für weitere Tankvorgänge ergibt, dient dazu, die ordnungsgemäße Registrie-rung und Bezahlung bereits erfolgter Tankvorgänge abzusichern.
2. Soweit der Kläger – aufbauend auf seiner Behauptung, bei der Vergü-tungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 handele es sich um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung – geltend macht, diese Vereinbarung sei nach § 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB we-gen Abweichung von dem in § 87d HGB niedergelegten gesetzlichen Leitbild unwirksam (Anschlussrevisionserwiderung vom 28. Juli 2016, Seite 3 f.), ist vorsorglich auf Folgendes hinzuweisen:
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a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach jede Entgeltre-gelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich nicht auf eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte (Haupt- oder Neben-)Leistung stützt, sondern Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht, eine Abwei-chung von Rechtsvorschriften darstellt und nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 – III ZR 32/14, ZVertriebsR 2014, 400 Rn. 39 m.w.N.), ist im Streitfall nicht einschlägig. Denn die Entgeltregelung im Nachtrag vom 30. Dezember 2004 stützt sich auf eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den Kläger erbrachte Leistung, nämlich die Zurverfügungstellung des Kassensystems, das nach den Feststel-lungen des Berufungsgerichts mehrere dem Geschäftsbetrieb des Klägers zu-zuordnende Funktionen erfüllt.
b) Eine Abweichung von dem in § 87d HGB niedergelegten gesetzlichen Leitbild zu Lasten des Klägers kann nach dem Sach- und Streitstand nicht an-genommen werden. Nach § 87d HGB kann der Handelsvertreter den Ersatz seiner im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen nur ver-langen, wenn dies handelsüblich ist. Ob der Kläger Vortrag zu einer derartigen, ihn begünstigenden Handelsüblichkeit bezüglich der kostenfreien Zurverfü-gungstellung von Kassensystemen an Tankstellenhalter gehalten hat, hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt.
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3. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass der Zinsbeginn, den es – ebenso wie das Landgericht – wegen Verzugs mit der Rückzahlung auf den 22. Dezember 2013 datiert hat, nicht für die Rückfor-derung der erst danach als Kassenpacht gezahlten Beträge gelten kann.

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