1. Erweckt die in die Ladenbeschilderung eines Händlers aufgenommene Marke eines Herstellers den unrichtigen Eindruck, zwischen Händler und Hersteller bestehe eine vertragliche Verbindung, wird die Herkunftsfunktion der fremden Marke beeinträchtigt; die Schutzschranken der §§ 23, 24 MarkenG greifen in diesem Fall nicht ein.

2. Geht in einem solchen Fall der Markeninhaber gegen die Verletzung über einen längeren Zeitraum nicht vor, obwohl er – wie auch der Verletzer weiß – bei Beachtung der ihn treffenden Beobachtungspflicht die Verletzung hätte erkennen können, kann der sich aus der Verletzung ergebende Schadensersatzanspruch verwirkt sein; nicht verwirkt ist dagegen in diesem Fall der markenrechtliche Unterlassungsanspruch.

OLG Frankfurt am Main vom 21. März 2013 Aktenzeichen 6 U 170/12 – Ladenbeschilderung

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28.6.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. am teilweise abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 1.3.2012 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass

– in Ziffer II. 1. des Tenors des Versäumnisurteils zwischen „…gemäß Ziffer I.“ und „begangen …“ und in Ziffer III. des Tenors des Versäumnisurteils zwischen „… Handlungen“ und „entstanden ist …“ jeweils eingefügt wird: „seit dem 1.1.2011“

– in Ziffer III. des Tenors des Versäumnisurteils die Worte „der Klägerin“ ersetzt werden durch die Worte „der Fa. X Elektrogeräte GmbH & Co. KG“.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/5 und der Beklagte 4/5 zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Kassel entstanden Kosten, die die Klägerin vorab zu tragen hat.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 45.000,- €festgesetzt.
Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, gegen das der Beklagte in vollem Umfang Berufung eingelegt hat, wird Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO).

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Hilfsansprüche, gestützt auf die Wortmarke sowie ihr Unternehmenskennzeichenrecht, fallen gelassen und den Auskunftsantrag wie unten wiedergegeben modifiziert. Im Übrigen wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass in Ziffer III. des Versäumnisurteils vom 01.03.2012 die Worte „der Klägerin“ ersetzt werden durch die Worte „der Firma X Elektrowerke GmbH & Co. KG“.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Wie das Landgericht mit zutreffenden Gründen angenommen hat, steht der Klägerin der – im Wege der zulässigen Prozessstandschaft für die Fa. X Elektrogeräte GmbH & Co. KG geltend gemachte – Unterlassungsanspruch aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG zu, da die angegriffene Außenwerbung am Ladengeschäft des Beklagten die Klagemarke … verletzt.

Die im Unterlassungstenor des Versäumnisurteils vom 1.3.2012 konkret wiedergegebene Außenwerbung des Beklagten erweckt den – unstreitig unzutreffenden – Eindruck, zwischen dem Beklagten und dem Inhaber der Klagemarke bestünden besondere vertragliche Beziehungen. Die Marke „X“ ist sowohl auf der Leuchtreklame als auch auf dem oberen Teil des Schaufensters blickfangartig herausgestellt. Zwar gilt dies auch für die beiden anderen dort genannten Marken („A“ und „ElektroA“), weshalb der Verkehr nicht davon ausgeht, der Beklagte vertreibe etwa ausschließlich „X“-Erzeugnisse. Das steht aber der Annahme, der Beklagte sei (jedenfalls auch) Vertragshändler für die Marke „X“, nicht entgegen. Für diese Annahme spricht insbesondere, dass die Klägerin ihre Geräte unstreitig in der Vergangenheit ausschließlich über ein Vertretersystem vertrieben hat. Daher weiß der Verkehr, dass „X“-Geräte jedenfalls nicht ohne weiteres über den freien Handel zu beziehen sind. Wenn daher ein Händler die Marke derart prominent herausstellt wie der Beklagte, muss der Eindruck entstehen, dieser Händler habe – anders als andere Elektro-Einzelhändler – irgendeine vertragliche Beziehung mit dem Hersteller. Entgegen der Auffassung des Beklagten wird der Durchschnittsverbraucher insbesondere nicht meinen, gerade wegen des vom Hersteller unterhaltenen Vertretersystems sei es ausgeschlossen, dass der Beklagte mit diesem Hersteller in vertraglichen Beziehungen stehe. Im Hinblick auf die besondere Herausstellung der Marke „X“ in der Außenwerbung liegt vielmehr die Schlussfolgerung näher, dem Angebot des Beklagten liege eine Ausnahme vom üblichen Vertriebssystem zugrunde.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, im Schaufenster sowie der Eingangstür seines Ladengeschäfts befinde sich der Hinweis „keine Werksvertretung“. Ein solcher Hinweis kann der beschriebenen Irreführungsgefahr nur dann entgegenwirken, wenn er vom situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbraucher nicht übersehen kann, wenn er die Marke zur Kenntnis nimmt. Diese Voraussetzung ist ausweislich der Lichtbilder, auf welche das ausgesprochene Verbot Bezug nimmt, im vorliegenden Fall nicht erfüllt; denn während dort der Name „X“ deutlich zu erkennen ist, kann der wesentlich kleiner dargestellte Zusatzhinweis allenfalls mit Mühe gelesen werden. Welche Anforderungen an die deutliche Erkennbarkeit ein Zusatzhinweis im Einzelnen erfüllen muss, ist im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nicht weiter zu erörtern, da sich das Unterlassungsbegehren allein gegen die im Antrag wiedergegebene konkrete Verletzungsform richtet.

Aus der mit der beanstandeten Markennutzung verbundenen Irreführung des Verkehrs über in Wahrheit nicht bestehende vertragliche Beziehungen des Beklagten mit dem Inhaber der Klagemarke folgt, dass die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird (vgl. hierzu EuGH GRUR 2010, 445 – Google France und Google; Tz. 84). Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen besteht weiter Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 II Nr. 2 MarkenG. Schließlich greifen wegen der genannten Irreführungsgefahr auch die Schutzschranken der §§ 23, 24 MarkenG nicht ein. Zur Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden.

Der durch die Verletzungshandlung begründete Unterlassungsanspruch (§ 14 V MarkenG) ist auch nicht verwirkt, da die hierfür erforderlichen besonderen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Im Allgemeinen beschränkt sich die Rechtsfolge der Verwirkung im Markenrecht darauf, dass der Markeninhaber seine Rechte aus der Marke im Hinblick auf bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen vermag; ein „Freibrief für künftige Schutzrechtsverletzungen“ ist damit in der Regel nicht verbunden (vgl. zuletzt BGH GRUR 2012, 928 – Honda-Grauimport; Tz. 23 ff.). Eine Verwirkung des markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs kommt daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. die Nachweise bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl.Rdz. 46 zu § 21 m.w.N.) nur ausnahmsweise in Betracht, wenn – abgesehen vom Vorliegen der weiteren Verwirkungsvoraussetzungen – der Verletzer infolge der längere Zeit hingenommenen Markenverletzung einen wertvollen Besitzstand erlangt hat, den er durch die Befolgung des Unterlassungsbegehrens verlieren würde.

Auf einen solchen wertvollen Besitzstand kann sich der Beklagte jedoch nicht mit Erfolg berufen. Denn der Beklagte wird durch den Unterlassungsausspruch nicht etwa daran gehindert, den Vertrieb von gebrauchten „X“- Originalgeräten sowie von Ersatzteilen hierfür fortzusetzen; er wird lediglich gezwungen, seine bisherige Werbung so – etwa durch einen deutlicheren Hinweis auf die fehlende Vertragshändlereigenschaft – zu ändern, dass die beschriebene Irreführungsgefahr vermieden wird. Dass ihm dies – neben den dafür aufzuwendenden Kosten – einen nennenswerten wirtschaftlichen Nachteil bringen würde, ist nicht ersichtlich.

2. Teilweise begründet ist die Berufung dagegen, soweit sie sich gegen die vom Landgericht antragsgemäß zuerkannten Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche richtet. Zwar ist der Inhaberin der Klagemarke infolge der Verletzungshandlung ein Schadensersatzanspruch (§ 14 VI MarkenG) sowie ein zur Schadensermittlung erforderlicher Auskunftsanspruch (§ 242 BGB) entstanden; insbesondere hat das Landgericht das insoweit erforderliche Verschulden des Beklagten mit Recht bejaht. Diese Ansprüche sind jedoch verwirkt (§ 242 BGB), soweit Verletzungshandlungen des Beklagten bis zum 31.12.2010 betroffen sind.

Für die Verwirkung des Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung einer Marke ist die Beeinträchtigung eines wertvollen Besitzstandes nicht erforderlich (vgl. Ingerl/Rohnke a.a.O., Rdz. 47 zu § 21 m.w.N.). Es reicht aus, dass beim Verletzer unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere auf Grund des Verhaltens des Markeninhabers und des eingetretenen Zeitablaufs, das schutzwürdige Vertrauen darauf entstehen konnte, der Markeninhaber werde nach so langer Zeit Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Klagemarke nicht mehr geltend machen. Auf Seiten des Markeninhabers setzt die Verwirkung nicht unbedingt die Kenntnis von der Markenverletzung voraus; es reicht auch die Verletzung einer Marktbeobachtungspflicht, wobei das Bestehen einer solchen Pflicht von den Gesamtumständen abhängt (vgl. Ingerl/Rohnke a.a.O., Rdz. 35 m.w.N.). Danach ist hier eine Verwirkung des Schadensersatzanspruchs jedenfalls für den überwiegenden Zeitraum der Verletzungsdauer zu bejahen.

Der in den Jahren 2003/2004 geführte Schriftverkehr zwischen den Parteien endete damit, dass der Beklagte angekündigt hat, der von der Klägerin vermisste Hinweis „keine Werksvertretung“ werde in Zukunft durch einen Folienaufkleber dauerhaft angebracht werden (Anwaltsschreiben vom 2.3.2004, Bl. 91 d.A.); die Klägerin hat darauf geantwortet, dass unter diesen Umständen gegen den beanstandeten Werbehinweis nichts einzuwenden sei, wenn dieser Hinweis in unmittelbarer Nähe zur Marke angebracht werde und im Verhältnis zum Namen X nicht zu klein ausfalle (Schreiben vom 5.3.2004, Bl. 69 d.A.). Hierzu hat sich der Beklagte nicht mehr geäußert; insbesondere hat er weder zugesagt, diese weitere Anforderung zu erfüllen, noch eine Aussage dazu getroffen, wie seine künftige Werbung konkret gestaltet werde.

Danach war es zumindest ungewiss, ob der vom Beklagten angekündigte Aufkleber den von der Klägerin gestellten Anforderungen genügen würde. Die Klägerin war daher im Sinne der sie treffenden Marktbeobachtungspflicht gehalten zu überprüfen, wie die künftige Werbung des Beklagten aussehen würde. Tatsächlich hat sie über einen Zeitraum von sechs Jahren und neun Monaten (bis zur Abmahnung vom 9.12.2010) eine solche Überprüfung nicht vorgenommen und sich beim Beklagten auch nicht mehr gemeldet.

Unter diesen Umständen reichten die genannten Umstands- und Zeitmomente aus, um beim Beklagten das schutzwürdige Vertrauen darauf begründen, dass die Klägerin wegen einer etwa weiterhin gegebenen Markenverletzung durch seine Ladenbeschilderung jedenfalls keine Schadensersatzansprüche – die nach der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie eine beträchtliche Höhe erreichen können – mehr geltend machen würde.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass der Beklagte den im Schreiben seines Anwalts vom 2.3.2004 in Aussicht gestellten weiteren Hinweis „An- und Verkauf von X Gebrauchtgeräten“ in der Folgezeit tatsächlich nicht an seinem Ladengeschäft angebracht habe. Die Beklagte hat nämlich in ihrem Antwortschreiben vom 5.3.2004 (erster Absatz) unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass es ihr maßgeblich um die Anbringung eines hinreichend deutlichen Hinweises „keine Werksvertretung“ ging. Zu dem vom Beklagten angekündigten weiteren Hinweis „An- und Verkauf …“ hat sie im zweiten Absatz des Schreibens dagegen lediglich ausgeführt, der Beklagte möge entscheiden, ob er einen solchen weiteren klarstellenden Hinweis anbringen wolle. Unter diesen Umständen durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass dieser weitere Hinweis zur Beseitigung des Störungszustandes auch nach Meinung der Klägerin gerade nicht erforderlich war.

Der zu Gunsten des Beklagten begründete Vertrauenstatbestand endete allerdings mit der erneuten Abmahnung der Klägerin vom 9.12.2010, nach der der Beklagte sich wieder auf das Risiko einrichten konnte und musste, für den Folgezeitraum im Falle einer Markenverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Dabei kann dem Beklagten eine gewisse Prüfungsfrist zugebilligt werden, so dass der Verwirkungseinwand gegenüber dem Schadensersatzanspruch für Verletzungshandlungen ab dem 1.1.2011 nicht mehr greift.

Die Schadensersatzfeststellungs- und Auskunftsaussprüche waren daher wie aus dem Tenor ersichtlich zeitlich zu beschränken.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 281 III ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt.

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