Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs zu.

Ansprüche aus enteignendem Eingriff kommen nach ständiger Rechtsprechung des BGH in Frage, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen unmittelbar zu meist atypischen und unvorhergesehenen Eigentumsbeeinträchtigungen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen. (BGH, Urteil vom 29. März 1984 – III ZR 11/83 –, BGHZ 91, 20-32, Rn. 18; BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 – III ZR 330/04 –, Rn. 12, juris).

Aus Sicht der Kammer spricht viel dafür, dass die vom beklagten Land verordneten Betriebsschließungen des klägerischen Restaurants einen Eingriff in den eigentumsrechtlichen Schutzbereich von Artikel 14 Grundgesetz darstellen (dagegen auf Artikel 12 Grundgesetz abstellend LG Heilbronn, Urteil vom 29.04.20, COVuR 2020, S. 142f.; VGH Kassel Beschl. v. 30.4.2020 – 8 B 1074/20.N, BeckRS 2020, 8868 Rn. 22, beck-online). Bei einer Maßnahme, die – wie vorliegend der Fall – den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betrifft, bestimmt sich der grundrechtliche Schutzbereich danach, ob das Erworbene, also das Ergebnis der Betätigung, oder der Erwerb, die Betätigung selbst betroffen ist. Greift der Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 Grundgesetz in Betracht, denn das Recht auf Fortsetzung des Betriebs im bisherigen Umfang nach den schon getroffenen betrieblichen Maßnahmen ist eigentumsmäßig geschützt (BGH, U.v. 14. März 1996 – III ZR 224/94 –, BGHZ 132, 181-189, Rn. 17 – 20). Da die streitgegenständlichen Verordnungen untersagten, den bereits vorhandenen Restaurantbetrieb des Klägers im bisherigen Umfang zu nutzen, dürfte vorliegend der Schutzbereich von Artikel 14 Grundgesetz betroffen sein.

Landgericht Hannover vom 09.07.2020 zu 8 O 2/20

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom

26.06.2020 durch

für R e c h t erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

**********************

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche des Klägers auf Grund von Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz.

Am 27.03.2020 erließ das beklagte Land unter Berufung auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) die Niedersächsische Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie (Nds. GVBl. 2020, S. 48ff.). Die Verordnung war gem. § 13 zeitlich befristet und sah unter anderem in § 5 vor, dass Restaurationsbetriebe mit Ausnahme von Außer-HausVerkäufen nicht betrieben werden dürften: „Restaurationsbetriebe, insbesondere Restaurants, Gaststätten, Imbisse, allein oder in Verbindung mit anderen Einrichtungen, Mensen und Kantinen dürfen nicht betrieben werden. Hiervon ausgenommen ist das Angebot eines Außer-Haus-Verkaufs, soweit die Anforderungen des Absatzes 2 erfüllt werden.“

Am 02.04.2020 erließ das beklagte Land unter Berufung auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG eine weitere Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie (Nds. GVBl. 2020, S. 55ff.). Diese Verordnung ließ gem. § 13 die erstgenannte Verordnung mit Wirkung zum 04.04.2020 außer Kraft treten und war ihrerseits wiederum zeitlich befristet. In § 6 dieser Verordnung war geregelt, dass Restaurationsbetriebe mit Ausnahme von Außer-Haus-Verkäufen nicht betrieben werden dürften.

Am 07.04.2020 erließ das beklagte Land unter Berufung auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG eine weitere Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie (Nds. GVBl. 2020, S. 63ff.). Diese Verordnung ließ gem. § 13 die zweitgenannte Verordnung mit Wirkung zum 07.04.2020 außer Kraft treten und hatte ihrerseits wiederum eine zeitlich befristete Wirksamkeit. § 6 dieser Verordnung enthielt ebenfalls ein Betriebsverbot für Restaurationsbetriebe mit Ausnahme von Außer-Haus-Verkäufen.

Am 17.04.2020 erließ das beklagte Land unter Berufung auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG die Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus (Nds. GVBl. 2020, S. 74ff.), welche in § 6 weiterhin ein Betriebsverbot für Restaurationsbetriebe enthielt mit Ausnahme von Belieferungen und Außer-Haus-Verkäufen und welche gem. § 13 wiederum zeitlich befristet war.

Am 08.05.2020 erließ das beklagte Land unter Berufung auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG die Niedersächsische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Nds. GVBl. 2020, S. 97ff.), welche in § 6 regelte, dass Restaurationsbetriebe bei Einhaltung bestimmter Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen betrieben werden dürften.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Rechtsverordnungen wird auf Bl. 76 – 114 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger betreibt als Eigentümer ,welches er aufgrund der genannten Verordnungen in der Zeit vom 28.03. bis zum 10.05.2020 komplett geschlossen ließ. Seine Angestellten gingen in Kurzarbeit und der Kläger erhielt aus Bundes- und Landesmitteln einen Überbrückungszuschuss von insgesamt 20.000 €.

Einen im Zusammenhang mit seinem Restaurationsbetrieb stehenden Covid19Krankheitsfall oder einen entsprechenden Krankheits- bzw. Ansteckungsverdacht gab es bislang nicht.

Der Kläger hält die vom beklagten Land ergriffenen Infektionsschutzmaßnahmen für rechtmäßig, da sie zur Verhinderung einer massenhaften Ansteckung der Bevölkerung notwendig gewesen seien. Er ist jedoch der Ansicht, dass er einen Anspruch auf Entschädigung für seine schließungsbedingten Umsatz- und Gewinneinbußen habe. Diese ergäben sich aus dem IfSG, jedenfalls in entsprechender Anwendung. Darüber hinaus meint er, dass jedenfalls aus Aufopferungsgesichtspunkten eine Entschädigung zwingend sei. Er behauptet, dass ein Außer-Haus-Verkauf oder ein Lieferservice auf Grund der Eigenart seines Betriebes als Ausflugsrestaurant und der damit verbundenen Kundschaft nicht möglich gewesen sei, weshalb ihm aufgrund der verordneten Betriebsschließung bis zum 10.05.2020 ein Schaden in Höhe von 51.859,73 € entstanden sei.

Nachdem der Kläger mit der am 05.06.2020 zugestellten Klage ursprünglich beantragt hat,

1. festzustellen, dass das beklagte Land dem Grunde nach dem Kläger gegenüber nach § 65 Abs. 1 S. 1 IfSG schadensersatzpflichtig ist; hilfsweise

2. festzustellen, dass das beklagte Land nach Aufopferungsgesichtspunkten dem Grunde nach dem Kläger zur Entschädigung verpflichtet ist.

hat der Kläger seinen Entschädigungsanspruch beziffert und beantragt nunmehr

das beklagte Land im Wege der Teilklage zu verurteilen, an ihn 10.000,- € seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Es meint, dass es weder im Infektionsschutzgesetz noch im landesrechtlichen Gefahrenabwehrrecht oder unter Aufopferungsgesichtspunkten Anspruchsgrundlagen gäbe, die einen Zahlungsanspruch des Klägers begründen könnten. Die Entschädigungsansprüche für Maßnahmen auf Grund des Infektionsschutzgesetzes seien in diesem abschließend durch den Bundesgesetzgeber geregelt worden. Dabei seien keine Entschädigungsansprüche für Maßnahmen nach § 28 IfSG vorgesehen worden. Auf Grund der abschließenden Regelung verbiete sich ein Rückgriff auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht oder auf Gewohnheitsrecht.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen den Übergang von der ursprünglichen Feststellungsklage zur Klage auf Teilleistung, denn diese Klageänderung ist mit der Rechtsprechung des BGH als ein erlaubter Fall im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2001 – XII ZR 199/98 -, Rn. 6, juris), jedenfalls aber sachdienlich im Sinne von § 263 ZPO.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Kläger kann weder Ansprüche aus dem IfSG noch aus allgemeinem Gefahrenabwehrrecht oder aus dem allgemeinen

Staatshaftungsrecht geltend machen.

1.

Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Zahlungsanspruch aus § 56 Abs. 1 oder 1a IfSG.

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 IfSG ist, dass der Anspruchsteller einen Verdienstausfall erlitten hat, weil er als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem infektionsschutzrechtlichen Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt (vgl. Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 3. Aufl., § 56 Rn. 3f.). Es ist unstreitig, dass der Kläger nicht zu diesem in § 2 IfSG definierten Personenkreis gehört, so dass § 56 Abs. 1 IfSG nicht einschlägig ist.

§ 56 Abs. 1a IfSG gewährt einen Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall, der dadurch entsteht, dass aus Infektionsschutzgründen Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen werden und die Sorgeberechtigten betreuungsbedürftiger Kinder daher nicht arbeiten können. Diese

Tatbestandsvoraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.

2.

Auch ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Entschädigung aus § 65 Abs. 1 IfSG besteht nicht.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass aufgrund einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 IfSG ein Gegenstand vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in seinem Wert gemindert oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht worden ist. Anspruchsberechtigt ist dabei gem. § 65 Abs. 1 Satz 1, 2. HS IfSG nur derjenige, der von der seuchenhygienischen Maßnahme als Nichtstörer betroffen ist (vgl. Erdle, Infektionsschutzgesetz, 7. Aufl., § 65 vor Ziff. 1). a)

Diese Tatbestandsvoraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Anspruchsbegründende Maßnahmen sind nur solche gem. § 16 oder § 17 IfSG, während die streitgegenständlichen Verordnungen des beklagten Landes jeweils auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt worden sind, so dass § 65 Abs. 1 IfSG nach dem insoweit unzweideutigen Wortlaut auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar ist (vgl. Schmitz/Neubert, NVwZ 2020, 666/669; Siegel, NVzW 2020, 577/583; Reschke, DÖV 2020, 423/424; Giesberts/Gayger/Weyand, NVwZ 2020, 417/420; Winter/Thürk in Schmidt, Covid-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, § 17 Rn. 29; Cornils, https://verfassungsblog.de/coronaentschaedigungsrechtlich-betrachtet).

Die Heranziehung von § 28 IfSG als Rechtsgrundlage stellt dabei entgegen der Auffassung des Klägers auch keine rein redaktionelle Nennung des beklagten Landes dar, sondern entsprach der tatsächlichen Lage, da sich die Covid-19-Krankheit zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Rechtsverordnungen bereits in Deutschland ausgebreitet hatte. Die WHO hatte am 12.03.2020 den COVID-19-Ausbruch zur Pandemie erklärt und für Europa bereits mehr als 20.000 bestätigte Fälle mit knapp 1.000 Todesfällen gezählt (http://www.euro.who.int/de/health-topics/health-emergencies/ coronavirus-covid-19/news/news/2020/3/who-announces-covid-19-outbreak-a-pandemic); am 17.03.2020 vermeldete das Robert-Koch-Institut rund 7.000 bestätigte Fälle in Deutschland und stufte das Risiko für die Bevölkerung als „hoch“ ein

(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/202 0-03-17-de.pdf?__blob=publicationFile).

Da Covid-19 eine übertragbare Krankheit im Sinne von §§ 2 Nr. 3, 28 Abs. 1 IfSG ist (vgl. dazu ausführlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 13 MN 182/20 –, Rn. 29f., juris), waren damit zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige,

Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider im Sinne von §§ 2 Nrn. 3ff, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt, so dass das beklagte Land auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht nur zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen berechtigt, sondern sogar verpflichtet war (OVG Lüneburg, aaO, Rn. 38).

b)

Der Einwand, § 65 IfSG müsse erweiternd ausgelegt werden, da Verhütungsmaßnahmen nach § 16 IfSG und Bekämpfungsmaßnahmen nach § 28 IfSG nicht medizinisch exakt zu trennen seien und Maßnahmen der Infektionsprophylaxe oftmals zugleich auch der Bekämpfung der Weiterverbreitung des Virus dienten (vgl. Rommelfanger, CoVuR 2020, 178/180), greift angesichts von Wortlaut, Systematik und gesetzgeberischem Willen nicht durch.

Das Infektionsschutzgesetz unterscheidet wie schon das frühere Bundesseuchengesetz zwischen Maßnahmen zur Verhütung und Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Diese Unterscheidung zeigt sich systematisch darin, dass der 4. Abschnitt des IfSG die Verhütung übertragbarer Krankheiten zum Gegenstand hat und der 5. Abschnitt des IfSG die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten regelt. § 16 IfSG stellt dabei die Generalklausel für Verhütungsmaßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten dar, § 28 IfSG die Generalklausel für Bekämpfungsmaßnahmen (Erdle, Infektionsschutzgesetz, § 28 Ziff. 1; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, § 16 Rn. 1).

Zwar ist richtig, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten zugleich auch deren Weiterverbreitung verhindern. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ändert dies jedoch nichts an der grundlegenden Unterscheidung beider Begriffe. Danach gehören zu den Bekämpfungsmaßnahmen solche, die an das Auftreten einer übertragbaren Krankheit, eines Krankheitsverdachts, eines Ansteckungsverdachts oder eines Ausscheidungsverdachts anknüpfen; für diese Fälle sollte ausschließlich der 5. Abschnitt gelten. Die im 4. Abschnitt geregelten Verhütungsmaßnahmen betrafen dagegen nur Maßnahmen zur Entstehung übertragbarer Krankheiten, nicht aber die Verhinderung der Verbreitung bereits aufgetretener Krankheiten (BT-Drucks. 3/1888, S. 21f.; BT-Drucks. 8/2468, S. 1, 27).

Daraus folgt, dass die Rechtsgrundlagen des § 16 Abs. 1 IfSG einerseits und des § 28 Abs. 1 IfSG andererseits in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stehen (vgl. OVG

Lüneburg, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13 LC 198/08 –, Rn. 40, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 13 MN 182/20 –, Rn. 32, juris; zu den entsprechenden und weitgehend identischen Vorgängervorschriften §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG siehe BVerwG, Urteil vom 16.12.1971 – I C 60/67 -, juris Rdnr. 28).

Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 65 IfSG sind somit nicht erfüllt.

3.

Der Kläger kann seinen Zahlungsanspruch auch nicht aus einer analogen Anwendung der im Infektionsschutzgesetz geregelten Entschädigungstatbestände gem. § 56 bzw. § 65 IfSG herleiten.

Voraussetzung für eine Analogie ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass im Gesetz eine planwidrige Regelungslücke besteht. Diese Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – IX ZR 65/09 –, BGHZ 184, 101-116, Rn. 32; Urteil vom 04. Dezember 2014 – III ZR 61/14 –,

Rn. 9, juris).

a)

In der Literatur wird teilweise eine derartige planwidrige Regelungslücke mit dem Argument bejaht, der Gesetzgeber sowohl des Bundesseuchengesetzes als auch des Infektionsschutzgesetzes habe bei der Schaffung der gesetzlichen

Entschädigungstatbestände derartige auf § 28 IfSG gestützte kollektive Betriebs- bzw. Gewerbeuntersagungen im Rahmen einer Epidemie überhaupt nicht im Blick gehabt. Daher müsse im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch den von einer Bekämpfungsmaßnahme betroffenen Nichtstörern ein Ausgleich ihrer Vermögensnachteile gewährt werden, da sie keinen Anlass für die Infektionsschutzmaßnahmen gesetzt hätten und schicksalhaft zu Geschädigten geworden seien (vgl. eine Analogie von § 56 IfSG bejahend Rommelfanger, COVuR 2020, 178/180; Dörrenbächer, JuWissBlog Nr. 55/2020, https://www.juwiss.de/55-2020/; eine Analogie von § 65 IfSG wohl bejahend Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, § 17 Rn. 30ff.; eine analoge Anwendbarkeit verneinend Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465/1466; Erdle, Infektionsschutzgesetz, § 56 vor Ziff. 1;

Schmitz/Neubert, NVwZ 2020, 666/669, i.E. auch Cornils, https://verfassungsblog.de/corona-entschaedigungsrechtlich-betrachtet/). b)

Sowohl die historische Betrachtung des Gesetzgeberwillens als auch die Analyse der aktuellen gesetzgeberischen Tätigkeit stehen jedoch der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke entgegen.

aa)

Wie heute das Infektionsschutzgesetz unterschied schon das Bundesseuchengesetz von 1961 klar zwischen den im 4. Abschnitt geregelten Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten (§§ 10ff. BSeuchG) und den im 5. Abschnitt geregelten Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (§§ 30ff. BSeuchG). Das Bundesseuchengesetz von 1961 enthielt darüber hinaus eine weitere Differenzierung der Bekämpfungsmaßnahmen und unterschied zwischen den in Abschnitt 5.3 geregelten Schutzmaßnahmen gegenüber bestimmten betroffenen Personen (§§ 34-42 BSeuchG) und den in Abschnitt 5.4 geregelten Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit (§ 43 BSeuchG).

Gemäß § 43 BSeuchG 1961 konnte die zuständige Behörde beim Auftreten einer übertragbaren Krankheit in epidemischer Form Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen, insbesondere Veranstaltungen in Theatern, Filmtheatern, Versammlungsräumen, Vergnügungs- oder Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen, sowie die Abhaltung von Märkten, Messen, Tagungen, Volksfesten und

Sportveranstaltungen beschränken oder verbieten und Badeanstalten schließen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit erforderlich ist. Dem Gesetzgeber war hierbei bewusst, dass derartige Maßnahmen sehr eingreifend wirken. Er sah sie jedoch für Notfälle in Epidemiezeiten als erforderlich an, wenn anders die Gefahr bestehe, dass ein größerer Personenkreis erkranke. Der Verpflichtete wurde in der Vorschrift nicht besonders genannt, da Normadressat neben dem Veranstalter oder Inhaber der Einrichtung jedermann sein könne (BT-Drucks. 3/1888, S. 27).

Entschädigungsansprüche sah das Bundesseuchengesetz von 1961 aus Billigkeitserwägungen für zwei Fälle vor. Zum einen für Ausscheider, Ausscheidungsverdächtige oder Ansteckungsverdächtige, deren Erwerbstätigkeit behördlich beschränkt wurde (§ 49 BSeuchG) und zum anderen für Eigentümer, deren Gegenstände aufgrund einer Entseuchungsmaßnahme vernichtet oder beschädigt wurden (§ 57 BSeuchG). Diese Entschädigungsregeln sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers keine ausschließliche Regelung darstellen, allerdings die wichtigsten der nach dem Gesetz in Betracht kommenden Entschädigungsfälle regeln (BT-Druck.

3/1888, S. 27).

Hieraus folgt, dass Maßnahmen zur Epidemiebekämpfung gegenüber der Allgemeinheit – wie sie die streitgegenständlichen Corona-Verordnungen des beklagten Landes darstellen – gem. § 43 BSeuchG a.F. nach der Vorstellung des Gesetzgebers keine Entschädigungspflicht auslösen sollten.

Denn obgleich der Gesetzgeber die sehr eingreifende Wirkung von Maßnahmen nach § 43 BSeuchG erkannt hat und zudem aufgrund der möglicherweise immensen Reichweite einer derartigen Maßnahme und der hierdurch zu erwartenden großen Anzahl an Betroffenen nicht kalkulierbare Entschädigungsforderungen und entsprechende unübersehbare finanzielle Lasten für den Staatshaushalt denkbar gewesen wären, hat der Gesetzgeber für diese zweifellos zu den „wichtigsten Entschädigungsfällen“ gehörende Fallkonstellation Entschädigungsansprüche nicht vorgesehen. Aus dem Fehlen einer solchen expliziten Entschädigungsvorschrift folgt im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber für solche Maßnahmen gerade keine Entschädigung gewähren wollte.

Mit dem Bundesseuchengesetz von 1979 hat der Gesetzgeber die Regelung des § 43 BSeuchG aufgehoben, weil er mit der neuen Fassung von § 34 BSeuchG eine allgemeine Ermächtigungsnorm für Bekämpfungsmaßnahmen schuf und die bis dahin in § 43 BSeuchG aufgezählten Schutzmaßnahmen gegenüber der Allgemeinheit auf diese Generalnorm gestützt werden konnten (BT-Drucks. 8/2468, S. 27, 29).

Anhaltspunkte dafür, dass mit dieser Regelung auch eine Erweiterung der Entschädigungsansprüche auf die bis dahin von § 43 BSeuchG a.F. geregelten Fallkonstellationen einhergehen sollte, sind nicht ersichtlich. Die Gesetzgebungshistorie spricht vielmehr dagegen, denn der Gesetzgeber hatte 1971 eine Beschränkung der ursprünglichen Entschädigungsregelungen vorgenommen, weil er sie für so außerordentlich großzügig gehalten hatte, dass sie zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Länder geführt hatte (BT-Drucks. 6/1568, S. 7). Vor diesem Hintergrund ist auszuschließen, dass der Bundesgesetzgeber ohne jedwede explizite Erwähnung eine Kehrtwende vom ursprünglichen Regelungsplan vornehmen und eine viel weitreichendere Ausdehnung der Entschädigungsregeln zulasten der Länderhaushalte schaffen wollte.

bb)

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des

Infektionsschutzgesetzes eine Veränderung der Entschädigungsregelungen vornehmen wollte, sind nicht ersichtlich, denn § 56 IfSG und § 65 IfSG entsprechen im Wesentlichen den Vorschriften von § 49 BSeuchG und § 57 BSeuchG (BT-Drucks. 14/2530, S. 88f.).

Weitergehende Änderungen, insbesondere Erweiterungen der

Entschädigungsregelungen finden sich nicht, vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass mit diesen Entschädigungsregeln des 12. Abschnitts der von der Rechtsprechung entwickelte allgemeine Aufopferungsanspruch umfassend ersetzt sei und diesem keine lückenschließende Funktion mehr zukomme (BT-Drucks. 14/2530, S. 87).

cc)

Gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht darüber hinaus auch die aktuelle gesetzgeberische Tätigkeit zum Infektionsschutzgesetz. Mit Gesetz vom 27.03.2020 (BGBl. I, 2020, S. 587) hat der Gesetzgeber während der bereits andauernden Corona-Pandemie den § 56 IfSG mit Absatz 1a um einen weiteren Entschädigungstatbestand ergänzt, welcher Sorgeberechtigten betreuungsbedürftiger Kinder den Verdienstausfall ersetzt, den diese aufgrund von Schließungen von Schulen oder Betreuungseinrichtungen erleiden.

Dieser Gesetzesergänzung vorausgegangen ist eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 16.03.2020, die sich mit der Entschädigung von Nachteilen auf Grund von Verordnungen nach dem IfSG auseinandersetzt. Dabei kam der wissenschaftliche Dienst zu dem Ergebnis, dass z.B. für die Schließung von Bars auf Grund von Verordnungen zur Eindämmung des Coronavirus keine Entschädigungsansprüche im IfSG vorgesehen seien (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Az.: WD – 3000 – 069/20, https://www.bundestag.de/resource/blob/692602/352cce5e021a097d9d87700cbb4f040 9/WD-3-069-20-pdf-data.pdf).

Dem Gesetzgeber war somit bei Schaffung des neuen Entschädigungstatbestandes gem. § 56 Abs. 1a IfSG bekannt, dass es für Betriebsschließungen im Gastronomiebereich keine seuchengesetzlichen Entschädigungsansprüche gab. Zudem waren zu diesem Zeitpunkt auch schon längere und weitreichendere Schließungen in vielen Wirtschaftszweigen absehbar, denn in Bayern galt beispielsweise ab dem 18.03.2020 eine weitgehende Untersagung von Veranstaltungen, von Gastronomiebetrieben und von vielen Einzelhandelsgeschäften (vgl.

https://www.bayern.de/corona-pandemie-bayern-ruft-den-katastrophenfall-ausveranstaltungsverbote-und-betriebsuntersagungen/).

Da der Gesetzgeber in dieser Lage und trotz dieser Kenntnis mit § 56 Abs. 1a IfSG nur einen eng begrenzten Fall der Entschädigungslosigkeit beseitigt und für Betriebsschließungen aufgrund von Maßnahmen der Epidemiebekämpfung keinen Entschädigungstatbestand geschaffen hat, gibt es keinen Anknüpfungspunkt für die Annahme, dass es sich hierbei um eine planwidrige Regelungslücke handele.

Der Gesetzgeber hat mit dem Bundesseuchengesetz von 1961 die wichtigsten der nach dem Gesetz in Betracht kommenden Entschädigungsfälle regeln wollen. Die auf Notfälle in Epidemiezeiten beschränkten sehr eingreifenden Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit sah er nicht als entschädigungspflichtig an. An dieser gesetzgeberischen Wertung hat sich in der Folgezeit auch unter Geltung des Infektionsschutzgesetzes nichts geändert, so dass mangels planwidriger Regelungslücke eine analoge Anwendung von § 56 oder § 65 IfSG ausscheidet.

4.

Dem Kläger steht auch kein Zahlungsanspruch aus dem allgemeinen Polizeirecht gem. § 80 NPOG i.V.m. § 8 NPOG zu.

Der Tatbestand des § 80 Abs. 1 NPOG ist zwar nach seinem Wortlaut einschlägig, denn die dem Kläger auferlegte Betriebsschließung ist eine Inanspruchnahme, die ihn als Nichtstörer im Sinne von § 8 Abs. 1 NPOG getroffen hat, da sich unstreitig weder ein von ihm selbst noch von seinem Restaurationsbetrieb ausgehender Corona-Verdachtsfall ergeben hat.

Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit wäre jedoch gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 NPOG, dass das Infektionsschutzgesetz insoweit keine abschließende Regelung enthält, da Ansprüche aus § 80 NPOG nur dann in Frage kommen, wenn das

Infektionsschutzgesetz als spezielles Gefahrenabwehrrecht keine Normen enthält, die die Anwendung des NPOG sperren (vgl. Saipa in Saipa/Beckermann/Reichert/ Roggenkamp/Trips, NPOG-Kommentar, 26. Ergänzungslieferung, Stand 11/19, § 80 NPOG Rn. 2 m.w.N; zur alten Rechtslage nach § 80 NGefAG siehe BGH, Urteil vom 03.

Juli 1997 – III ZR 208/96 –, BGHZ 136, 172-181, Rn. 8).

a)

In der Literatur wird eine abschließende Entschädigungsregelung des

Infektionsschutzgesetzes mit der Sperrwirkung für das allgemeine Polizeirecht teilweise unter Verweis auf den Willen des seuchenschutzrechtlichen Bundesgesetzgebers verneint (Giesberts/Gayger/Weyand, NVwZ 2020, 417/420f.; Rommelfanger, COVuR 2020, 178/181ff.). Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber des Bundesseuchengesetzes von 1961 dessen Entschädigungsregelungen explizit nicht als umfassend ausschließliche Regelung bezeichnet hat (BT-Drucks. 3/1888, S. 27). b)

Für die Sperrwirkung des Infektionsschutzgesetzes gegenüber der Anwendbarkeit von § 80 NPOG ist es jedoch nicht erforderlich, dass es eine vollkommen umfassende, jeden denkbaren Entschädigungsanspruch enthaltende Regelung enthält. Ausreichend ist hierfür vielmehr, wenn die Normen des Infektionsschutzgesetzes eine abschließende Regelung für die einschlägige Fallkonstellation der Inanspruchnahme von Nichtstörern treffen (vgl. BGH, Urteil vom 03. Juli 1997 – III ZR 208/96 –, BGHZ 136, 172-181, Rn.

11f.; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 527).

Dies ist vorliegend der Fall.

Das Infektionsschutzgesetz hat mit § 65 IfSG eine spezielle gesetzliche Vorschrift für die Entschädigung von Nichtstörern (vgl. BT-Drucks. 14/2530, S. 89) getroffen, die aufgrund einer Verhütungsmaßnahme nach §§ 16, 17 IfSG die Wertminderung eines Gegenstandes oder einen sonstigen nicht unwesentlichen Vermögensnachteil erlitten haben. Wenn der Gesetzgeber jedoch für eine bestimmte Fallkonstellation eine Entschädigungsregelung getroffen hat, dann spricht zunächst einmal eine Vermutung dafür, dass er eine vollständige und lückenlose, also eine abschließende Regelung treffen wollte (BGH, Urteil vom 03. Juli 1997 – III ZR 208/96 –, BGHZ 136, 172-181, Rn. 11). Um die Entschädigungsregelung nach dem Infektionsschutzgesetz anders auszulegen, nämlich dahin, dass die Entschädigung von Nichtstörern für rechtmäßige Inanspruchnahmen nicht abschließend gemeint ist, sondern durch die

Entschädigungsvorschriften der allgemeinen Polizeigesetze zugunsten des Nichtstörers ergänzt werden soll, müssten greifbare Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers bzw. einen derart beschränkten Zweck der Entschädigungsregelung vorhanden sein (vgl. BGH, aaO, Rn. 12).

Dafür sind jedoch nach den obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Gesetzgeber hat im Infektionsschutzgesetz ein inhaltlich ausdifferenziertes Entschädigungssystem für Seuchenverhütungs- und Seuchenbekämpfungsmaßnahmen geregelt. Dieses System würde weitgehend eingeebnet, wenn neben der im Infektionsschutzgesetz geregelten Entschädigung von Nichtstörern bei Verhütungsmaßahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts auch Entschädigungsansprüche für Bekämpfungsmaßnahmen gewährt würden (Reschke, DÖV 2020, 423/426f.). Der Gesetzgeber wollte jedoch mit seinen speziellen seuchenhygienischen Bestimmungen die wichtigsten nach dem Gesetz in Frage kommenden Entschädigungstatbestände regeln (BT-Druck. 3/1888, S. 27) und dem allgemeinen Aufopferungsanspruch keine lückenschließende Funktion mehr zukommen lassen (BT-Drucks. 14/2530, S. 87). Da der allgemeine polizeirechtliche Entschädigungsanspruch des Nichtstörers als positivrechtliche Konkretisierung der richterrechtlich entwickelten allgemeinen Aufopferungsansprüche anzusehen ist (allgm. Ansicht, vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 527; MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 68 m.w.N.), gibt es angesichts des klar formulierten gesetzgeberischen Willens keinen Anknüpfungspunkt für die Annahme, dass der Gesetzgeber des Infektionsschutzgesetzes neben der von ihm geregelten Nichtstörerentschädigung für Betroffene von Seuchenverhütungsmaßnahmen eine auf das allgemeine Polizeirecht gestützte Nichtstörerentschädigung für Betroffene von Seuchenbekämpfungsmaßnahmen zulassen wollte.

Ein Anspruch des Klägers aus § 80 Abs. 1 Satz 1 NPOG scheidet damit aufgrund der

Sperrwirkung der speziellen Regeln des Infektionsschutzgesetzes aus (vgl. i.E. auch LG Heilbronn, Urteil vom 29.04.2020, I 4 O 82/20, COVuR 2020, S. 142/143; Schmitz/Neubert, NVwZ 2020, 666/669; Siegel, NVwZ 2020, 577/583; Reschke, DÖV 2020, 423/426f.).

5.

Dem Kläger steht auch kein Zahlungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs zu.

Ansprüche aus enteignendem Eingriff kommen nach ständiger Rechtsprechung des BGH in Frage, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen unmittelbar zu meist atypischen und unvorhergesehenen Eigentumsbeeinträchtigungen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen. (BGH, Urteil vom 29. März 1984 – III ZR 11/83 –, BGHZ 91, 20-32, Rn. 18; BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 – III ZR 330/04 –, Rn. 12, juris).

a)

Aus Sicht der Kammer spricht viel dafür, dass die vom beklagten Land verordneten Betriebsschließungen des klägerischen Restaurants einen Eingriff in den eigentumsrechtlichen Schutzbereich von Artikel 14 Grundgesetz darstellen (dagegen auf Artikel 12 Grundgesetz abstellend LG Heilbronn, Urteil vom 29.04.20, COVuR 2020, S. 142f.; VGH Kassel Beschl. v. 30.4.2020 – 8 B 1074/20.N, BeckRS 2020, 8868 Rn. 22, beck-online). Bei einer Maßnahme, die – wie vorliegend der Fall – den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betrifft, bestimmt sich der grundrechtliche Schutzbereich danach, ob das Erworbene, also das Ergebnis der Betätigung, oder der Erwerb, die Betätigung selbst betroffen ist. Greift der Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 Grundgesetz in Betracht, denn das Recht auf Fortsetzung des Betriebs im bisherigen Umfang nach den schon getroffenen betrieblichen Maßnahmen ist eigentumsmäßig geschützt (BGH, U.v. 14. März 1996 – III ZR 224/94 –, BGHZ 132, 181-189, Rn. 17 – 20). Da die streitgegenständlichen Verordnungen untersagten, den bereits vorhandenen Restaurantbetrieb des Klägers im bisherigen Umfang zu nutzen, dürfte vorliegend der Schutzbereich von Artikel 14 Grundgesetz betroffen sein.

Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, da die weitere Anspruchsvoraussetzung eines dem Kläger auferlegten Sonderopfers nicht gegeben ist. b)

Ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer besteht, wenn ein Eingriff in eine eigentumsmäßig geschützte Rechtsposition vorliegt, durch die der Betroffene als Eigentümer unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich betroffen wird und er mit einem besonderen, den übrigen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit belastet wird (BGH, Urteil vom 18. Februar 1993 – III ZR 20/92 –, BGHZ 121, 328-347, Rn. 12; BGH, Urteil vom 14. März 2013 – III ZR 253/12 –, BGHZ 197, 43-51, Rn. 8).

aa)

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass dem Kläger kein individuelles Sonderopfer auferlegt wurde, sondern ein sehr weiter Personenkreis von den Schließungsmaßnahmen betroffen war. Zum einen betrafen die Maßnahmen alle Restaurationsbetriebe gleichermaßen. Zum anderen galten die Verbote nicht nur für Restaurationsbetriebe, sondern darüber hinaus für viele weitere Branchen (vgl. die exemplarische Aufzählung in § 6 Abs. 2 der Verordnung vom 27.03.2020). Eine einseitige Belastung nur des Klägers oder seiner Berufsgruppe lag also nicht vor. Schon dieser Aspekt spricht bereits gegen die Annahme eines Sonderopfers (Reschke, DÖV 2020, 423/ 429; Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465/1467).

Hiergegen wird in der Literatur eingewandt, dass ein Sonderopfer jedenfalls für den Fall zu bejahen sei, dass die angeordnete Betriebsschließung eine konkret existenzgefährdende bzw. existenzvernichtende Folge für den Betroffenen hat (Rommelfanger, COVuR 2020, 178/183; Schmitz/Neubert, NVwZ 2020, 666/670f.; Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise § 17 Rn. 76). Selbst wenn man dieser Auffassung folgte, führte dies jedoch vorliegend nicht zur Bejahung eines Sonderopfers, weil der Kläger nicht substantiiert behauptet hat, dass er durch die zeitweilige Betriebsschließung konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet worden sei. Darüber hinaus wäre hier auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den verordneten Betriebsuntersagungen staatliche Hilfen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsschließung erhalten hat, welche bei der Bewertung der Eingriffsintensität miteinzubeziehen sind (vgl. OVG Münster Beschl. v. 6.4.2020 – 13 B 398/20.NE, BeckRS 2020, 5158 Rn. 63, beckonline; Papier DRiZ 2020, 180/183).

bb)

Darüber hinaus bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verordnungen und die Verhältnismäßigkeit der hierdurch bewirkten Eingriffe in die Rechtspositionen des Klägers.

Das OVG Lüneburg hat insoweit hinsichtlich der streitgegenständlichen Verordnung vom

07.04.2020 unter anderem Folgendes zur formellen und materiellen Rechtmäßigkeit ausgeführt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. April 2020 – 13 MN 67/20 –, Rn. 26 – 50, juris):

Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) …

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, drängen sich dem Senat nicht auf (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 – 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 – 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4.2020 – 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 -, juris 17 f.).

Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. März 2017 (Nds. GVBl. S. 65), betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV ist die Verordnung von der das Ministerium vertretenden Ministerin ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 7. April 2020, S. 63 ff., verkündet worden.

§ 13 Abs. 1 der Verordnung bestimmt, wie von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 NV gefordert, den Tag des Inkrafttretens.

Auch dem Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Urt. v. 6.7.1999 – 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 – juris Rn. 152 ff. (zu Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG); Steinbach, in: Epping/Butzer u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 43 Rn. 20 m.w.N.) dürfte die (3.) Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 genügen.

Die Regelung in § 9 Satz 1 der (3.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 dürfte auch die materiellen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG erfüllen.

Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden.

(a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind erfüllt.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. …

COVID-19 ist jedenfalls eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. … (wird ausgeführt)

Auch wenn nach derzeitigen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verläuft, könnte eine ungebremste Erkrankungswelle aufgrund der bisher fehlenden Immunität und nicht verfügbarer Impfungen und spezifischer Therapien zu einer erheblichen Krankheitslast in Deutschland führen. Bei vielen schweren Verläufen muss mit einer im Verhältnis zu anderen schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) – vermutlich sogar deutlich – längeren intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmung/zusätzlichem Sauerstoffbedarf gerechnet werden. Selbst gut ausgestattete Gesundheitsversorgungssysteme wie das in Deutschland können hier schnell an Kapazitätsgrenzen gelangen, wenn sich die Zahl der Erkrankten durch längere Liegedauern mit Intensivtherapie aufaddiert. Dieser Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung kann derzeit, da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie in konkret absehbarer Zeit zur Verfügung stehen, nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen. …

Neben der Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Therapien sowie der Stärkung des Gesundheitssystems und der Erhöhung der medizinischen Behandlungskapazitäten, die indes nicht sofort und nicht unbegrenzt möglich sind, bedarf es hierzu zuvörderst der Verhinderung der Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko, des Schaffens sozialer Distanz und ähnlich wirkender bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sowie des gezielten Schutzes und der Unterstützung vulnerabler Gruppen (vgl. hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2020 v. 19.3.2020, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/ 2020/Ausgaben/12_20.pdf?__blob=publicationFile; Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewer-tung.html, Stand: 26.3.2020).

Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichten die zuständigen Behörden zum Handeln (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 – BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 – juris Rn. 23).

(b) Der Senat vermag derzeit auch keine relevanten Fehler des vom Antragsgegner bei Erlass des § 9 Satz 1 der (3.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020, soweit damit der Verkauf von Blumen und anderen Pflanzen auf Wochenmärkten untersagt wird, betätigten Ermessens festzustellen. …

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, a.a.O., S. 213 – juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 – 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35). „Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG können daher auch Untersagungen oder Beschränkungen von unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sein (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 -, juris Rn. 11 ff. (Schließung von Einzelhandelsgeschäften)). Dem steht nicht entgegen, dass § 31 IfSG eine Regelung für die Untersagung beruflicher Tätigkeiten gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen, Ausscheidern und sonstigen Personen trifft. Denn diese Regelung ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG („insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten“) nicht abschließend. Auch die mangelnde Erwähnung der Grundrechte nach Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG steht der dargestellten Auslegung nicht entgegen. Denn das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, welches § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG zu erfüllen sucht, besteht nur, soweit im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG „ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen sind andersartige grundrechtsrelevante Regelungen zu unterscheiden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.5.1970 – 1 BvR 657/68 -, BVerfGE 28, 282, 289 – juris Rn. 26 ff. (zu Art. 5 Abs. 2 GG); Beschl. v. 12.1.1967 – 1 BvR 168/64 -, BVerfGE 21, 92, 93 – juris Rn. 4 (zu Art. 14 GG); Urt.

v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58 -, BVerfGE 10, 89, 99 – juris Rn. 41 (zu Art. 2 Abs. 1 GG). Hierzu zählen auch die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG.

Der danach weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall „notwendig“ sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind. Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Das in § 9 Satz 1 der (3.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 enthaltene und nach Vorstehendem seiner Art nach zulässige Verbot, auf Wochenmärkten Blumen und andere Pflanzen zu verkaufen, ist auch in seinem konkreten Umfang voraussichtlich nicht zu beanstanden. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass das vom Antragsgegner angeordnete Verbot zur Erreichung der mit der Anordnung verfolgten Ziele (siehe hierzu im Einzelnen oben II.2.a.(3)(a)) nicht notwendig ist, sind für den Senat nicht ersichtlich.

Das auch nach einem nun bereits mehrere Wochen andauernden Infektionsgeschehen unverändert legitime Ziel der Verhinderung der Ausbreitung der von COVID-19, der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, kann nur erreicht werden, wenn neben der Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko sowie dem gezielten Schutz und der Unterstützung vulnerabler Gruppen auch „soziale“ Distanz, vornehmlich verstanden als körperliche Distanz, geschaffen und ähnlich wirkende bevölkerungsbezogene antiepidemische Maßnahmen ergriffen werden. Dies kann auch Beschränkungen des unmittelbaren Kontakts zwischen verschiedenen Personen, gleich ob im öffentlichen oder im privaten Raum, rechtfertigen. Dies betrifft insbesondere Ansammlungen zahlreicher, untereinander nicht bekannter Personen, weil bei solchen Personenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können und zudem mangels Bekanntheit der Personen untereinander die Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird.

Die vorgenommene Beschränkung des Warenangebots von Wochenmärkten auf

Lebensmittel führt auch nicht zu einer unangemessenen Belastung des Antragstellers.

Der mit der Beschränkung fraglos verbundene Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG manifestiert sich voraussichtlich in Umsatzeinbußen. Die konkrete Höhe dieser Umsatzeinbußen hat der Antragsteller indes nicht beziffert. Hinzu kommt, dass die Beschränkung gemäß § 13 Abs. 1 der Verordnung bis zum Ablauf des 19. April 2020 befristet ist. Diesem Eingriff stehen zudem überwiegende öffentliche Interessen gegenüber. Denn die den Eingriff bewirkende Maßnahme ist zur Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 – juris Rn. 119 m.w.N.), derzeit notwendig.

Dieser rechtlichen Bewertung, die von anderen Oberverwaltungsgerichten für die jeweiligen landesrechtlichen Verordnungen geteilt worden ist (vgl. etwa OVG Magdeburg Beschl. v. 30.4.2020 – 3 R 69/20, BeckRS 2020, 12755 Rn. 34, 35, beck-online; OVG Schleswig Beschl. v. 30.4.2020 – 3 MR 15/20, BeckRS 2020, 7768 Rn. 26-30, beckonline; OVG Münster Beschl. v. 6.4.2020 – 13 B 398/20.NE, BeckRS 2020, 5158 Rn. 63, beck-online; zur Schließung von Gaststätten siehe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 –, Rn. 33 – 34, juris; VGH Kassel Beschl.

v. 30.4.2020 – 8 B 1074/20.N, BeckRS 2020, 8868 Rn. 21-25, beck-online), schließt sich die Kammer an.

Bei der vom BGH im Rahmen der Prüfung eines Sonderopfers geforderten „wertenden Betrachtung der Kollision zwischen Gemeinwohl und Einzelinteresse“ (vgl. BGH, Urteil vom 05. März 1981 – III ZR 9/80 –, BGHZ 80, 111-118, Rn. 22) verdient der gemeinwohlorientierte Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Bevölkerung den Vorrang vor den Eigentümerbelangen des Klägers. Vor diesem Hintergrund stellt die angegriffene zeitweilige Betriebsuntersagung kein ausgleichspflichtiges Sonderopfer des Klägers aufgrund eines unverhältnismäßigen bzw. unzumutbaren Eingriffs in sein Eigentumsrecht dar. c)

Ein Anspruch des Klägers wegen enteignenden Eingriffs scheitert darüber hinaus auch an dem Umstand, dass diese Anspruchsgrundlage auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung findet. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs nur auf einzelfallbezogene Eigentumsbeeinträchtigungen angewandt werden könne und keine geeignete Grundlage sei, um massenhaft auftretende Schäden auszugleichen. Denn die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen gegen den Staat für massenhaft aufgetretene Eigentumsbeschränkungen könnte weitreichende Folgen für die Staatsfinanzen haben, was nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip der Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers vorzubehalten sei (BGH, Urteil vom 10.12.1987 – III ZR 220/86 –, BGHZ 102, 350-368, Rn. 31-33

m.w.N.; BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 – III ZR 330/04 –, Rn. 12, juris).

Soweit in der Literatur teilweise vertreten wird, dass diese Argumentation nicht für untergesetzliche Rechtsetzungsakte wie Rechtsverordnungen oder Satzungen Anwendung findet (vgl. hierzu Ernst in MüKoBGB vor. § 903 BGB Rn. 94f.; Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise § 17 Rn. 85; Ring in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, Anhang zu § 903 BGB Rn. 53) folgt die Kammer dieser Auffassung nicht.

Die vom BGH zur Ablehnung der Haftung für legislatives Unrecht entwickelte Argumentation trifft nach hiesigem Verständnis auch auf den vorliegenden Fall zu, in dem massenhafte Ansprüche auf Grund von Rechtsverordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu erwarten wären. Die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen gegen den Staat für vielfach auftretende

Eigentumsbeschränkungen könnte so weitreichende Folgen für die staatlichen Finanzen haben, dass hierdurch dem Haushaltsgesetzgeber die freie Entscheidungskompetenz aus der Hand genommen würde, wie, wofür und in welchem Umfang er in einer nationalen Krisensituation die begrenzten staatlichen Mittel einsetzt. Dies widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung, da die grundlegenden Entscheidungen über die Verwendung der staatlichen Mittel zum Kern der parlamentarischen Rechte in der Demokratie gehören (vgl. BVerfG, Urteil vom 07. September 2011 – 2 BvR 987/10 –, BVerfGE 129, 124-186, Rn. 104) und es insoweit für die Auswirkung auf den Entscheidungsspielraum des parlamentarischen Gesetzgebers unerheblich ist, welche Rechtsform der als entschädigungspflichtig angesehene staatliche Akt hat. Das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs bietet keine geeignete Grundlage, um die generellen und typischen Folgen einer in einem formellen Gesetz enthaltenen oder auch auf einem formellen Gesetz beruhenden Inhalts- oder Schrankenbestimmung finanziell abzugelten. Denn die Gewährung von Ausgleichsansprüchen durch die Zivilgerichte würde hier im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass das den hoheitlichen Eingriff betreffende Gesetz kraft Richterrechts um eine Klausel für Ausgleichsleistungen ergänzt wird. Eine solche Befugnis steht aber dem an Recht und Gesetz gebundenen Richter nicht zu (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 – III ZR 220/86 –, BGHZ 102, 350-368, Rn. 34).

6.

Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Der allgemeine

Aufopferungsanspruch gilt nicht für hoheitliche Eingriffe in das Eigentum, sondern nur für Eingriffe in nichtvermögenswerte Rechtsgüter (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 131; Palandt-Herrler, BGB, 79. Aufl., vor § 903 Rn. 15; Staudinger/Wöstmann (2013) BGB § 839, Rn. 500). Da die streitgegenständlichen Rechtsordnungen rechtmäßig waren, kann der Kläger schließlich auch keinen Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz oder einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff geltend machen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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