a) Eine Erstbegehungsgefahr des Bewerbens, Anbietens, Vertreibens und In-verkehrbringens gegenüber inländischen Verbrauchern folgt nicht ohne wei-teres aus der Präsentation des Produkts (hier: Keksstangen) auf einer inter-nationalen, ausschließlich dem Fachpublikum zugänglichen Messe.
b) Die bei einem Fachpublikum vorhandenen Kenntnisse der am Markt vertre-tenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft stehen auch im Hinblick auf nahezu identische Nachahmungsprodukte regelmäßig der Annahme ei-ner unmittelbaren Verwechslung mit dem Originalprodukt und der irrtümli-chen Annahme von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwi-schen den beteiligten Unternehmen entgegen, wenn die Produkte in Pa-ckungen mit gegenüber dem Originalprodukt deutlich unterschiedlichen Her-kunftshinweisen vertrieben werden.

UWG § 4 Nr. 9 Buchst. a, b, § 8 Abs. 1 Satz 2

BGH URTEIL I ZR 133/13 vom 23. Oktober 2014 – Keksstangen (Mikado)

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 23. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Juni 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkam-mer des Landgerichts Köln vom 27. September 2012 teilweise ab-geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin vertreibt in Deutschland seit 1982 unter der Produktbe-zeichnung „Mikado“ dünne Keksstangen, die zu etwa vier Fünfteln ihrer Ge-samtlänge mit Schokolade („Milchschokolade“ oder „Zartherb“) umhüllt sind. Der Vertrieb erfolgte in nachfolgend wiedergegebenen 75-g-Umverpackungen:
Die Beklagte stellt ebenfalls mit Schokolade überzogene Keksstangen her und vertreibt diese in der Türkei und anderen Ländern unter der Bezeich-nung „Biscolata Stix“ in 50-g-Umverpackungen, die mit ihrer Unternehmensbe-zeichnung „S. “ versehenen sind. Das Produkt und die Verpackung der Be- klagten sind in den Klageanträgen abgebildet.
Die Beklagte stellte ihr Keksprodukt am 31. Januar 2010 auf der interna-tionalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln folgendermaßen aus.
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Die Klägerin hält die Keksstangen der Beklagten für eine unzulässige Nachahmung ihres Originalprodukts. Sie hat geltend gemacht, infolge der na-hezu identischen Nachahmung ihres Produkts durch die Beklagte bestehe die Gefahr von Verwechslungen. Die Beklagte nutze zudem die Wertschätzung des Originalprodukts aus.
Die Klägerin hat soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, wobei die Produkte eine Länge von ca. 12,4 cm aufweisen und der mit einer Schokoladenkuvertüre um-hüllte Teil ca. 80% der Länge des Produkts ausmacht,
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hilfsweise,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, auf Messen auszustellen, zu be-werben, einzuführen, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, wobei die Produkte eine Länge von ca. 12,4 cm aufweisen und der mit der Schokoladenkuvertüre umhüllte Teil ca. 80% der Länge des Produkts ausmacht
,
wenn dies in einer Verpackung wie nachstehend wiedergegeben erfolgt:
.
äußerst hilfsweise,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, auf Messen auszustellen, zu bewerben, einzuführen, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, wobei die Produkte eine Länge von ca. 12,4 cm aufwei-sen und der mit der Schokoladenkuvertüre umhüllte Teil ca. 80% der Länge des Produkts ausmacht
,
wenn dies in einer Verpackung wie nachstehend wiedergegeben mit den Ab-messungen ca. 8,1 x 14,3 x 2,4 cm erfolgt:
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.
Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag zur Unterlas-sung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Es hat den Hauptantrag abgewie-sen und die Beklagte nach dem ersten Hilfsantrag mit Ausnahme des Einfüh-rens und des Ausstellens auf Messen zur Unterlassung verurteilt (OLG Köln, GRUR-RR 2013, 472 = WRP 2013, 1508). Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren auf vollständige Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurück-zuweisen.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat den isoliert auf das Produkt als solches be-zogenen, auf Unterlassung gerichteten Hauptantrag als verjährt angesehen. Den mit dem ersten Hilfsantrag geltend gemachten Unterlassungsanspruch, der auf das Verbot des Anbietens des Produkts in der Verpackung gerichtet ist, hat es dagegen als nach §§ 8, 3, 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG für begründet erach-tet. Hierzu hat es ausgeführt:
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Die von der Klägerin hergestellten Keksstangen verfügten nicht nur in der Aufmachung, in der sie im verpackten Zustand am Markt angeboten würden, sondern auch als unverpacktes Produkt über wettbewerbliche Eigenart. Sie wiesen eine besondere Gestaltung auf, die sie von vielen alltäglichen, vom Ver-braucher keinem bestimmten Unternehmer zugeordneten Produktformen im Keks- und Süßwarenbereich unterscheide. Die wettbewerbliche Eigenart der von der Klägerin hergestellten Keksstangen sei zudem durch deren Bekanntheit gesteigert. Die von der Beklagten produzierten Keksstangen stellten eine nahe-zu identische Nachahmung der „MIKADO“-Keksstangen dar.
Aufgrund ihrer nahezu identischen Gestaltung seien die Keksstangen der Beklagten bei einem Vertrieb in der in den Hilfsanträgen wiedergegebenen Ver-packung geeignet, eine Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Her-kunft herbeizuführen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Verpackung außer-dem das Herstellerkennzeichen „S. “ und die von der Produktbezeichnung „MIKADO“ der Klägerin abweichende Bezeichnung „Biscolata Stix“ trage. Hier-durch werde jedenfalls die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn nicht hinreichend vermieden. Die Gefahr, dass das Produkt der Beklagten irr-tümlich dem Hersteller des Originalerzeugnisses zugeordnet werde, drohe be-reits, wenn Verbraucher, die das unverpackte Erzeugnis der Klägerin bei frühe-ren Gelegenheiten kennengelernt hätten und dieses wegen seiner wettbewerb-lichen Eigenart einem bestimmten Unternehmen zurechneten, ohne es genau benennen zu können, in der Einkaufssituation das ihnen bekannte Originalpro-dukt auf der Verpackung des Erzeugnisses der Beklagten wiederzuerkennen glaubten. Hinzu komme, dass auch Verbraucher, denen das Originalprodukt der Klägerin unter ihrer Bezeichnung „MIKADO“ bekannt sei oder die es der Her-stellermarke „De Beukelaer“ zuordneten, die Nachahmung aufgrund der nahezu identischen Produktgestaltung für ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Pro-dukt des Originalherstellers halten könnten.
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Den Gefahren einer Herkunftstäuschung könne die Beklagte durch zu-mutbare und geeignete Maßnahmen begegnen. Es kämen jedenfalls Änderun-gen der Verpackungsgestaltung in Betracht, die es entweder von vornherein verhinderten, dass Verbraucher die Nachahmungen der Beklagten auf Grund ihrer Abbildung auf den Verpackungen für die Originale hielten, oder die durch eindeutige Zusätze darüber aufklärten, dass „S. Biscolata Stix“ ein eigen- ständiges und kein vom Originalhersteller der „Mikado“-Kekse unter einer Zweitmarke angebotenes oder lizenziertes Produkt sei.
In der nahezu identischen Nachahmung des Produkts der Klägerin liege ferner eine unangemessene, den Absatz der Klägerin beeinträchtigende Aus-nutzung seiner Wertschätzung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG), die nicht durch klare Hinweise auf die unterschiedliche Herkunft in der Verpackungsgestaltung auf-gehoben werde.
Die erforderliche Begehungsgefahr sei für alle im Antrag beschriebenen Verletzungshandlungen gegeben. Durch die Ausstellung ihres Produkts „Bis-colata Stix“ auf der Internationalen Süßwarenmesse im Jahr 2010 habe die Be-klagte hierfür geworben. Insoweit sei eine Wiederholungsgefahr gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gegeben. Aus dem Ausstellen des Produkts auf der Messe folge eine Erstbegehungsgefahr für ein Anbieten, Vertreiben sowie ein sonsti-ges Inverkehrbringen in Deutschland gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision der Be-klagten haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der in die Revisionsinstanz gelangten Unterlassungsanträge (Hilfsanträge).
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I. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die auf wettbewerbs-rechtlichen Leistungsschutz gestützten Unterlassungsansprüche bejaht hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat allein eine vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG) sowie eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) gegenüber dem Verkehrskreis der Verbraucher angenommen. Es hat sich da-bei auf die Ausstellung des beanstandeten Keksprodukts auf der Internationa-len Süßwarenmesse in Köln gestützt. Entgegen der Ansicht des Berufungsge-richts lässt sich jedoch dem Messeauftritt der Beklagten nicht die für die auf Unterlassung gerichteten Hilfsanträge erforderliche Begehungsgefahr eines unlauteren Verhaltens gegenüber Verbrauchern entnehmen.
1. Der Unterlassungsanspruch setzt eine bereits erfolgte oder drohende Zuwiderhandlung voraus (§ 8 Abs. 1 UWG). Das Berufungsgericht hat die Be-klagte verurteilt, es zu unterlassen, ihre Keksprodukte in der im Verbotstenor wiedergegebenen Verpackung anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen. Es ist davon ausgegangen, dass die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Begehungsgefahr für alle diese Handlungsformen vorliegt. Das Berufungsgericht hat insoweit angenom-men, das im Streitfall an den Maßstäben des § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG zu mes-sende vorwerfbare Verhalten liege nicht nur in dem Bewerben des Produkts der Beklagten und seiner Verpackung auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln. Es ist darüber hinaus davon ausgegangen, die Beklagte habe durch die Präsentation auf der Messe auch eine Erstbegehungsgefahr dafür geschaffen, dass ihr Keksprodukt in der beanstandeten Verpackung in Deutschland Ver-brauchern angeboten werde. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht eine vermeidbare Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG darin gesehen, dass diejenigen Verbraucher, die aufgrund einer vorherigen Wahrnehmung der Keksstangen der Klägerin eine Vorstellung über die Herkunft dieses Produkts haben, durch die Abbildung der nahezu identischen Produkte auf der angegriffenen Verpackung der Beklagten einer Fehlvorstellung über die Herkunft dieser Produkte unterliegen könnten. Auch bei der Annahme der Aus-
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nutzung einer Wertschätzung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG hat das Berufungsgericht auf die Anschauung der Verbraucher in und nach der Ver-kaufssituation abgestellt. Es hat daraus gefolgert, es bestehe eine Begehungs-gefahr für einen Vertrieb des beanstandeten Produkts an Verbraucher in Deutschland. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Beru-fungsgerichts, im Hinblick auf die zum Gegenstand des beantragten Verbots gemachten Handlungsformen des Anbietens, Vertreibens und Inverkehrbrin-gens gegenüber Verbrauchern liege Erstbegehungsgefahr vor.
a) Die Annahme einer Erstbegehungsgefahr setzt ernsthafte und greifba-re tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass der Anspruchsgegner sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten wird. Dabei muss sich die Erstbegehungs-gefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen. Die die Erstbege-hungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshand-lung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverläs-sig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 17 = WRP 2008, 1353 – Metrosex; Urteil vom 22. April 2010 I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103 Rn. 23 = WRP 2010, 1508 Pralinenform II; Urteil vom 15. Dezember 2011 – I ZR 129/10, GRUR 2012, 728 Rn. 25 = WRP 2012, 935 – Einkauf Aktuell). Da es sich bei der Begehungs-gefahr um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt, liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Anspruchsteller (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 I ZR 180/07, GRUR 2010, 455 Rn. 24 = WRP 2010, 746 – Stumme Verkäu-fer II).
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Ausstellen von Produk-ten auf einer Messe in Deutschland geschehe typischerweise zu dem Zweck, sie an interessierte Messebesucher und damit jedenfalls auch an inländische Abnehmer zu verkaufen. Es sei nach der Lebenserfahrung auch ohne weitere Feststellungen zumindest von einer Erstbegehungsgefahr des Anbietens, Ver-
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treibens und sonstigen Inverkehrbringens im Inland auszugehen. Deshalb ob-liege es dem Aussteller, für jeden Messebesucher erkennbare gegenteilige Tat-sachen – etwa entsprechend der Handhabung der Beklagten auf der ISM-Messe im Folgejahr 2011 durch den Hinweis „NOT FOR SALE IN GERMANY“ – darzulegen und zu beweisen. Dem kann nicht zugestimmt werden.
c) Ob die Ausstellung eines Produkts auf einer Messe ein hinreichend konkreter Umstand für die Erwartung ist, der Aussteller werde das fragliche Produkt in naher Zukunft in Deutschland anbieten und vertreiben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Allein die Präsentation eines Erzeugnisses auf einer Messe reicht nicht in jedem Fall für die Annahme einer Erstbege-hungsgefahr aus (vgl. für markenrechtliche Ansprüche BGH, GRUR 2010, 1103 Rn. 21 ff. Pralinenform II).
d) Im Streitfall ergibt sich eine Erstbegehungsgefahr weder aus einem allgemeinen Erfahrungssatz (dazu aa) noch aus den Umständen des Streitfalls (dazu bb).
aa) Eine Erstbegehungsgefahr kann nicht mit einem allgemeinen Erfah-rungssatz begründet werden, wegen der Präsentation eines Produkts oder ei-ner Produktverpackung auf einer Messe im Inland sei auch von einem bevor-stehenden Anbieten, Vertreiben und sonstigen Inverkehrbringen im Inland aus-zugehen. Diese Betrachtungsweise wird dem Umstand nicht gerecht, dass es verschiedene Formen von Messen und der Präsentation von Produkten auf Messen gibt.
(1) So wird es regelmäßig an dem für eine Erstbegehungsgefahr erfor-derlichen, in naher Zukunft bevorstehenden Vertrieb eines Erzeugnisses fehlen, wenn nicht ein vertriebsfertiges Produkt, sondern lediglich ein Prototyp oder eine Designstudie ausgestellt wird, um die Reaktionen des Marktes auf ein erst im Planungszustand befindliches Produkt zu testen. Weiter kann es darauf an-kommen, gegenüber welchem Verkehrskreis das Produkt präsentiert wird. Aus
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einer Präsentation ausschließlich gegenüber Fachkreisen kann nicht ohne wei-teres gefolgert werden, das Produkt werde dem Verbraucher angeboten.
(2) Geht es wie im Streitfall um Rechtsverletzungen, die die Feststel-lung einer bestimmten Verkehrsanschauung voraussetzen, ist von Bedeutung, auf welchen Verkehrskreis die Messe und die Präsentation des fraglichen Pro-dukts zugeschnitten sind. So gibt es Publikumsmessen, auf denen die Verbrau-cher die ausgestellten Produkte bestellen oder erwerben können. Auf der ande-ren Seite gibt es Messen, zu denen ausschließlich Fachbesucher Zugang ha-ben. Ferner kann ein Hersteller auf einer auch dem allgemeinen Verkehr zu-gänglichen Messe durch die eindeutige Gestaltung der Präsentation deutlich machen, dass er allein ein Fachpublikum ansprechen will. In den Fällen, in de-nen der Hersteller ausschließlich Fachleute anspricht, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er die Art und Weise seiner Präsentation allein am Maßstab des durchschnittlichen Fachbesuchers ausrichtet. Dieser hat im Regelfall einen höheren Kenntnisstand über die im Markt angebotenen Produkte, ihre Form und Marktanteile sowie über die Hersteller und Vertriebsgesellschaften (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1999 – I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1109 = WRP 1999, 1031 – Rollstuhlnachbau; Urteil vom 12. Dezember 2002 – I ZR 221/00, GRUR 2003, 359, 361 = WRP 2003, 496 – Pflegebett; Urteil vom 15. April 2010 – I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 32 = WRP 2010, 1465 – Femur-Teil; Urteil vom 5. Mai 2011 – I ZR 157/09, GRUR 2011, 1153 Rn. 41 ff. = WRP 2011, 1593 – Creation Lamis). Ohne konkrete Anhaltspunkte besteht keine allgemeine Ver-mutung, der auf einer reinen Fachmesse ausstellende Hersteller werde seine Produkte und Produktausstattungen in jedem Fall in der gleichen Form oder Art und Weise auch gegenüber dem allgemeinen Verbraucher vertreiben.
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(3) Auch im Hinblick auf die Frage, ob ein Vertrieb im Inland gegenüber dem allgemeinen Verkehr droht, kann nicht von einem Erfahrungssatz ausge-gangen werden, dass ein Aussteller sein Produkt immer auch am Ausstellungs-ort vertreiben wird. Maßgebend sind auch insoweit die Umstände des Einzel-falls. So ist es charakteristisch für international ausgerichtete Fachmessen, dass sich dort Aussteller aus verschiedenen Staaten an in- und ausländische Interessenten wenden. Bei internationalen Messen geht es mithin gerade auch um die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen ausländischen Partei-en ohne Inlandsbezug. Ein hinreichend konkreter Anhaltspunkt für einen zeit-nahen Vertrieb im Inland folgt nicht ohne weiteres aus der Präsentation eines Produkts auf einer internationalen Messe im Inland.
bb) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlas-sungsanspruch kann nicht auf der Grundlage der vom Berufungsgericht ge-troffenen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens bejaht werden.
(1) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG und einer unange-messenen Ausnutzung der Wertschätzung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG aufgrund des Verkehrsverständnisses des allgemeinen Publikums bejaht. Für die Beurteilung der Erstbegehungsgefahr sind danach allein solche tatsächli-chen Anhaltspunkte von Bedeutung, die ein in naher Zukunft bevorstehendes Anbieten, Vertreiben und Inverkehrbringen gegenüber inländischen Verbrau-chern begründen können.
(2) Solche tatsächlichen Umstände hat das Berufungsgericht nicht fest-gestellt. Sie sind im Streitfall auch sonst nicht ersichtlich.
Das Berufungsgericht hat die Annahme einer Erstbegehungsgefahr zwar auch darauf gestützt, die Beklagte habe während der Produktpräsentation auf der Messe ISM 2010 unverpackte Keksstangen zum probeweisen Verzehr an-
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geboten. Damit hat das Berufungsgericht aber keinen Umstand festgestellt, der für ein zeitnahes Anbieten des Keksprodukts der Beklagten in der beanstande-ten Packung an den deutschen Verbraucher spricht. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten handelt es sich bei der Internationalen Süß-warenmesse in Köln um eine ausschließlich dem Fachpublikum vorbehaltene Messe (vgl. auch Graf von der Groeben, GRUR 2011, 795 Fn. 6). Das Beru-fungsgericht hat dementsprechend nicht festgestellt, dass die Beklagte ihr Pro-dukt auf der Messe auch inländischen Verbrauchern zum Verzehr angeboten hat, ohne dass die Revisionserwiderung den Vortrag der Klägerin als übergan-gen rügt.
Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte vertreibe alle Produkte, die sie auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln ausstelle, auch in Deutschland, ist für die Darlegung einer Erstbegehungsgefahr ebenfalls nicht ausreichend. Es können produktspezifische Besonderheiten wie etwa eine besondere Gestal-tungsnähe zu den im Inland vertriebenen Konkurrenzprodukten oder andere rechtliche Risiken einen Hersteller zu einer unterschiedlichen Vertriebsstrategie veranlassen. Zudem kann die Produktpräsentation auf einer Messe nur dem Zweck dienen, eine Vertriebsentscheidung vorzubereiten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine Erstbegehungsgefahr auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte auf der Internationalen Süßwa-renmesse des Jahres 2011 das beanstandete Produkt „Biscolata Stix“ mit dem Hinweis „NOT FOR SALES IN GERMANY“ ausgestellt hat. Dieser Hinweis kann auf ein von der Klägerin gegen die Beklagte eingeleitetes Verfügungsver-fahren zurückzuführen sein. Er erlaubt jedenfalls nicht den Schluss, im Jahr 2010 habe auf Seiten der Beklagten die Absicht zu einem Vertrieb im Inland gegenüber dem allgemeinen Publikum bestanden.
Das Berufungsgericht hat schließlich auch nicht festgestellt, dass die Be-klagte bei ihrem Auftritt auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln im Jahr 2010 konkret versucht hat, durch den Abschluss von Vereinbarungen mit Mes-
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sebesuchern den Vertrieb ihres Keksprodukts an inländische Verbraucher in der von der Klägerin beanstandeten Packung auszunehmen.
3. Eine Begehungsgefahr für ein Bewerben des fraglichen Produkts der Beklagten gegenüber dem allgemeinen Publikum besteht ebenfalls nicht. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte das fragliche Produkt auf der Süßwarenmesse in Köln ausgestellt und die Produktform damit im Inland im Rahmen ihrer kom-merziellen Tätigkeit benutzt hat. Das reicht für sich genommen aber nicht aus. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunfts-täuschung und einer unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung des Original-produkts im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG allein im Hinblick auf das allgemeine Publikum bejaht. Deshalb kommt es nur auf ein Bewerben des Keksprodukts der Beklagten gegenüber inländischen Verbrauchern an. Das Berufungsgericht, dass allein ein Bewerben des angegriffenen Produkts auf der Internationalen Süßwarenmesse des Jahrs 2010 in Köln angenommen hat, hat dazu jedoch nichts festgestellt.
4. Entgegen der Ansicht der Revision folgt eine Begehungsgefahr für sämtliche zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemachten Handlungs-formen nicht aus Besonderheiten des Tatbestands des § 4 Nr. 9 UWG. Die Re-visionserwiderung macht vergeblich geltend, die gesonderte Feststellung einer Begehungsgefahr im Hinblick auf die einzelnen Handlungsformen des Anbie-tens, Vertreibens und Inverkehrbringens sei entbehrlich, weil die Beklagte ihr Produkt auf der Messe im Jahr 2010 beworben habe und sich daraus eine Be-gehungsgefahr für sämtliche angegriffenen Verletzungsformen ergebe.
Dem kann schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil im Streitfall eine Begehungsgefahr für ein Bewerben gegenüber dem allgemeinen Publikum nicht vorliegt. Danach ist das Berufungsgericht, das ausschließlich auf eine Herkunftstäuschung und eine Ausnutzung der Wertschätzung gegenüber dem
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allgemeinen Publikum abgestellt hat, zu Unrecht vom Vorliegen der Vorausset-zungen des § 8 Abs. 1 UWG ausgegangen.
II. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt des wettbe-werbsrechtlichen Leistungsschutzes gemäß § 4 Nr. 9 UWG kann nicht mit der Begründung angenommen werden, die Beklagte habe jedenfalls das auf der Internationalen Süßwarenmesse 2010 in Köln anwesende Fachpublikum über die betriebliche Herkunft ihres Produkts getäuscht oder diesem gegenüber die Wertschätzung des Produkts der Klägerin unangemessen ausgenutzt.
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Anschauung der Fachkreise getroffen. Die Revisionserwiderung hat nicht im Wege der Gegen-rüge geltend gemacht, die Klägerin habe vorgetragen, das Fachpublikum unter-liege aufgrund der angegriffenen Packungsgestaltung einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft des Produkts der Beklagten. Eine solche Annah-me kommt vorliegend auch nicht in Betracht. Die Wahrnehmung von gewerbli-chen Wiederverkäufern und Zwischenhändlern beruht auf einem anderen Wis-sensstand als die Wahrnehmung der Endverbraucher (vgl. BGH, GRUR 2011, 1153 Rn. 43 – Creation Lamis). Dieser Fachkreis verfügt regelmäßig über ge-nauere Kenntnisse der im Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft als das allgemeine Publikum. Diese Kenntnisse stehen im Streit-fall der Annahme einer Herkunftstäuschung entgegen, wenn die Produkte – wie vom Berufungsgericht festgestellt – in Packungen vertrieben werden, die mit deutlich unterschiedlichen Herkunftshinweisen gekennzeichnet sind. Auch die Annahme eines unter einer Zweitmarke vertriebenen Produkts scheidet für Fachkreise aufgrund ihrer höheren Marktkenntnisse aus (vgl. zur Anschauung der Verbraucher BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 – I ZR 225/98, GRUR 2001, 443, 446 = WRP 2001, 534 – Viennetta).
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden wurde (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung der
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Sache an das Berufungsgericht bedarf es nicht, weil der Senat auf der Grund-lage des festgestellten Sachverhalts selbst entscheiden kann und weiterer Sachvortrag der Klägerin hierzu nicht zu erwarten ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen, weil die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG nicht vorlie-gen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 27.09.2012 – 31 O 356/10 –
OLG Köln, Entscheidung vom 28.06.2013 – 6 U 183/12 –

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